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Am 15. Jänner 1915, bei
großer Kälte mussten wir fort. Schwer trennte ich mich von meinen
Lieben. Ich musste mich mit dem Gedanken trösten, bald alle wieder zu sehen.
Wir rückten nach St. Pölten ein und hatten eine 3tägige Untersuchung
vor uns. Ich ließ mir recht Zeit. Ich glaubte, sie könnten genug
zusammenbringen, dass ich übrig bleibe. Ich wurde zum Infanterieregiment
49 eingeteilt. Über Nacht wurden wir in eine Schule eingesperrt und bewacht.
Dann ging es mit der Bahn nach Wien. Dort wurden wir von einer Patrouille übernommen
und zum Kommando, welches sich tief im 19. Bezirk befand, gebracht. Wir wurden
in eine Fabrik gebracht und mussten auf unseren Koffern sitzend übernachten.
Es lagen mehrere auf dem Boden und erwachten bei unserem Kommen. Ich traf unverhofft
einen guten Kollegen aus meinem Heimatdörfl, den Gerstl Franz aus Ritzenberg.
Er kam wegen eines Leidens zurück von der Front und fuhr in die Heimat.
Groß war unsere Freude und die Nacht verging sehr rasch. Morgens, um 7
Uhr gab es schon die Vergatterung der Rekruten. Und nun ging das richtige Soldatenleben
an. Anfangs rückten wir mit unserem Gewand aus, dann bekamen wir eine Montur.
Sie war ganz durchlöchert, dass wir uns in unserer Flickkunst üben
konnten. Die Abrichtung war auch nicht angenehm, da man mit den Gedanken immer
wo anders war. 3 Wochen gingen so dahin. Dann kam der Befehl. 700 Mann mussten
zum gerlitzischen Infanterieregiment Nr. 80 nach Knittelfeld in die Steiermark.
Auch mich traf es und mussten anderen Tages gleich fort. Es war mir nicht leicht,
dass ich von einem deutschen zu einem polnischen Regiment musste. Das eine Gute
war, dass wieder ein Bekannter zu mir kam. 2 Nachbarn von mir und ein unbekannter
Kollege aus meiner Heimat. Wir waren in einem Zug und blieben auch. Von Ende
Jänner bis März blieben wir dort und wurden wieder frisch ausgebildet.
Die Menage war sehr schlecht, sodass man glaubte verzweifeln zu müssen.
Die von zu Hause nichts bekommen haben waren ganz verlassen. Da war es unsere
Pflicht, mit den anderen das Wenige zu teilen, dass uns das Leben nicht ganz
verdross. So verbrachten wir das Leben wie Baraber. Die Nächte verbrachten
wir auf Strohsäcken auf dem Boden liegend. Zum Reinigen war keine Zeit,
bei lauter Übungen und Ausrücken bei großer Kälte, bei
Eis und Schnee. Das dauerte bis zum 15. März. Dann mussten wir schwören,
was einen halben Tag dauerte. Es wurde in 5 Sprachen geschwört, weil so
viele Nationen beisammen waren. Dann marschierten wir in voller Rüstung
nach Sergendorf, ein Stück weg von Knittelfeld, wo wir einquartiert wurden.
Wir hatten keinen Dienst mehr. Wir mussten immer marschbereit zum Abmarsch an
die Front sein.
Am 17. gingen wir zu Beichte und zur Kommunion. Urlaub gab es bei diesem Regiment
keinen. Und so mussten wir am 18., ohne unsere Lieben zu sehen, an die Front.
Ein Paket mit Lebensmittel und Geld, das ich sehr notwendig brauchen konnte,
erwischte mich noch im letzten Augenblick. Das war eine Freude.
Mit Gesang und Musik zogen wir durch die mit Menschen überfüllten
Straßen zum Bahnhof.
Mit Blumenschmuck am Gewehr und Kragen, begeistert durch die Zurufe der Landbevölkerung
ging es fort unserem Elend entgegen. Wir fuhren am Abend über Leoben, über
den Semmering nach Wien-Nordbahnhof. Dort gab es Menage und wurden von den Einwohnern
beschenkt. Vom Roten Kreuz bekamen wir Kaffee, was uns Freude machte.
Nun ging es wieder fort über Deutsch-Wagram, Strasshof, nach Gänserndorf,
Angern, Stillfried (50 km von Wien). Rabensburg, Bernhartstal, Ludenburg, über
Mähren, Pitschk, Pärlewitz, Ungarisch Buditsch, Martinsberg, nach
Mährisch Ostrau.
Wir kamen dort am 21. um 6 Uhr früh an und bekamen schwarzen Kaffee. Dann
ging es wieder weiter nach Odenburg in Schlesien, war eine schöne Industriestadt,
auch Ditmansdorf. Dann kamen die Ortschaften Bernwitz, Seibersdorf, Poschna,
Sitzbi, Deinditz, 340 km von Wien. Dann Karlewik, 357 km. Kraszorwitze, 387
km. Nach Krakau, 411km.
Dann wurde schon immer geredet, dass unsere Fahrt bald zu Ende sein wird und
wir unserer Bestimmung übergeben werden. In Bwesko verließen wir
um 21 Uhr die Bahn und marschierten noch nachts dem Feind zu. Eiskalt überlief
es uns, wenn wir daran dachten, dass es bald ernst wird. Wir marschierten 2
Tage bei sehr schlechtem Wetter. So viel Morast, dass man fast stecken blieb,
und dazu die 40 kg schwere Rüstung. Die Menage war sehr schlecht, es gab
kaum was zu essen. In Gromnik blieben wir vom 24. März bis 3. April.
Meine ersten Ostern im Weltkrieg!
Karsamstag abends um 4 Uhr, gingen wir noch in die Stellung. Kot war bis an
die Knöchel, dass man kaum noch gehen konnte. Unser Unterstand war eine
Grashütte mit Reisig bedeckt, wo Regen und Schnee durchfiel und wir uns
mit Hilfe von Zeltplachen ein wenig ausrüsten konnten. Tagsüber waren
wir immer beschäftigt. Gewehrputzen, dann war wieder Visite, dann hieß
es wieder ausrücken und Übungen machen. So wurde man abdressiert sodass
man fast verzweifelte und sich am liebsten selbst das Leben nehmen wollte. Das
war unsere erste Osterstimmung im Weltkrieg.
Ostermontag marschierten wir wieder ab nach Gworozieli. Bei strömendem
Regen mussten wir samt unserer Maschinengewehrabteilung durch einen stockfinsteren
Wald. Wir versanken fast und mussten jeder Mann einzeln durchgehen und war kein
Leichtes am Ende des Waldes das zerrissene Bataillon wieder in Ordnung zu bringen.
Wir marschierten wieder weiter ohne zu rasten oder zu schlafen. Wer Geld hatte,
kaufte sich was zum Essen, die anderen mussten so vorlieb nehmen. So verging
Ostern und nur "vorwärts" hieß der Ruf, ein Zurück
gab es nicht mehr. Dann kamen wir in eine Stadt, da hieß es Rasttag und
Kirchgang. Um auch etwas von Ostern zu wissen. So kauften wir 3 "Kassern"
die wir beisammen waren, von einem polnischen Juden 1 Liter Wein, der 3 Kronen
kostete. Er war aber so schlecht, kaum zu trinken. So verging der Tag, am Abend
hieß es wieder Rüstung umschnallen, dann gings dem Schützengraben
zu.
Marschierten die ganze Nacht, war wohl jeder verzagt. Aber man konnte nichts
machen, man musste geduldig mit und wenn man auch die Füße verloren
hätte. Um 3 Uhr in der Früh kamen wir im Schützengraben am Flusse
Donanitz an. Wir mussten ein anderes Bataillon ablösen, welches zur Impfung
in die Stadt zurück musste. Unter fortwährender Schießereien
vergingen 2 Tage. Die Russen wollten immer durchbrechen bis zum Fluss. Es gab
auch einige Verwundete. Wir hielten die Stellung bis 12 Uhr nachts. Dann hieß
es wieder rüsten und bereit sein zum Abmarsch. Ohne sich auszurasten marschierten
wir bis Okszgen, dann nach Woskowitze, da wurden wir einquartiert, in einer
Schule neben einer schönen Kirche. Die Schule war ganz schön, aber
die Liegestatt schlecht. Auf dem Boden liegend, lag einer fast auf dem Anderen.
So verbrachten wir 14 Tage und mussten immer in Bereitschaft sein und durften
uns in den Straßen nicht zeigen. Es war ohnehin nicht viel zu sehen. Die
Bewohner waren alle ausquartiert. Schaufenster und Auslagen waren alle eingeschlagen.
Auch die Posten waren in den Geschäften untergebracht. Sie schauten mit
den Köpfen aus den Auslagenfenstern. Alles war besetzt vom Militär.
Wir verbrachten unsere Zeit mit Exerzieren, was wir hinter der Schule machen
mussten. Von wo uns oft die einfallenden Granaten vertrieben, dass wir uns verstecken
mussten. Auch die Kirche war durchgebombt von Granaten. Im Dunkeln durfte kein
Licht gemacht werden, damit die Schule nicht in Brand gesteckt wurde. Was an
Zeit übrig blieb, hieß es putzen und flicken. So vergingen 14 Tage.
Dann hieß es wieder packen und rüsten. Zeitlich in der Früh
mussten wir fort. Da es hieß, der Russe will durchbrechen. Und marschierten
bei Regen und Kälte, auch Überschwemmung war, dass wir halbmannshoch
im Wasser standen, über Felder und Wiesen und kamen mit Mühe und Gefahren
neben der Stellung an. Dort wurden wir tropfend von Nässe untergebracht.
Wir schmiegten uns eng aneinander um uns zu wärmen. So verging die Nacht
und 1 Tag. Dann ging es zugsweise in die Stellung zur Verstärkung, dass
der Russe nicht durchbrechen konnte.
Die Kugeln schwirrten durcheinander, es war keine Ruhe, dazu quälte uns
der Hunger, denn die Menage war wenig und schlecht. In unserer Nähe waren
Erdäpfel eingegraben, der Hunger ließ uns die Kugeln und die Gefahr
vergessen, und liefen hin, obwohl unser Leben am Spiel stand. Es glückte
uns doch. Kochten sie im Wald, wo wir wieder achten mussten, dass die Russen
durch den Rauch nicht angelockt wurden. So verging ein Tag um den anderen. Gräber
waren auch dort im Wald von unseren Kollegen, die wir wieder auffrischten und
schmückten. So verging die Zeit bis 27. April.
Da hieß es wieder rüsten und marschierten zurück in die Stadt,
wo wir vorher waren. Dann kamen wir zurück durch einen Ort, von wo uns
der Russe mit Artillerie beschoss, und wo wir mit voller Rüstung im Laufschritt
durchmussten, wobei einige Kameraden verwundet wurden. Die Häuschen, wo
wir einquartiert waren, wurden auch vom Feind in Brand gesteckt. So verging
wieder ein Tag. Und bei Nacht mussten wir auf einen hohen Berg marschieren und
noch dazu 100 kg schwere Munitionskisten mit hinaufschleppen. Wenn man bedenkt,
was das heißt, volle Rüstung, solche Kisten, und ganz matt und erschöpft,
ist keine Kleinigkeit. Endlich kamen wir in den Schützengraben.
Wurden gleich eingeteilt, jeder in seine Stellung, wo man auf Posten stand.
Ich kam zu einem Schießloch, wo ich gedeckt auf dem Bauch liegen musste
und auf den Feind aufpassen. Wäre fast angefroren während der 2 Stunden,
bis ich abgelöst wurde.
So kam der 30. April!
Da kam der Befehl, der gegenüberliegende Berg musste gestürmt werden.
Als wir vorgingen und der Feind bemerkte dass wir einen Angriff machen wollten,
zündete er die Häuser an, dass er sehen konnte, was wir vorhatten.
Wir konnten nicht stürmen, so kam der Befehl "nicht weiter",
sonst geht das ganze Regiment drauf. Soll sich jeder eingraben, wo er steht
und auf Weiteres warten. Um Mitternacht grub jeder was er konnte, um sich zu
schützen. Als es dämmerte, bemerkte der Russe, dass bei uns etwas
los sein musste und ließ seine Artillerie auf unsere Anhöhe schießen.
Wir verkrochen uns so gut wie es möglich war in unseren Löchern. Um
so stärker wurde die Schießerei. Etwa 20 Schritte hinter uns fielen
die Schüsse ein. Wir konnten nichts machen als uns verkriechen so gut es
ging. Unsere Artillerie fing auch an zu schießen. Da ging ein Trommelfeuer
los. Erde flog herein in die Schützengräben, als würde es jemand
hereinschaufeln. Schon ganz gehörlos waren wir, von den Schüssen und
dachten es kommt unser letztes Stündlein. Alles war schon ganz dunkel vor
unseren Augen, vor lauter Rauch. Und wir konnten nichts machen, mussten zuschauen.
Das war der Anfang. 1. Mai! Zum Vormarsch zum Durchbruch bei Gorlice!
Um 12 Uhr mittags kam der Befehl, um 2 Uhr wird gestürmt. Die Schießerei
hörte auf und wir richteten uns zusammen. Punkt 2 Uhr hieß es "auf
zum Sturm". Wie die Russen sahen, dass wir aus den Schützengraben
gehen, ging die Schießerei erst recht los. Konnten nur sprungweise vorgehen.
Mehr als 10 Schritte konnte man nicht machen. Musste man sich wieder mit den
Spaten eine Deckung machen. So gingen wir vor bis in das Dorf, das am Vortag
von den Russen angezündet wurde. Dort sammelten wir uns hinter den Häusern,
bis alle beisammen waren, bis auf jene die tot oder verwundet waren. Dann hieß
es vor zum Stürmen. Nun ging es mit "Feuer" den Berg hinauf.
Dann war noch ein Fluss inzwischen, wo wir hinüber mussten. Die Russen
schossen noch immer. Nachdem der Fluss durchgewatet war, wobei uns das Wasser
bis an die Brust reichte, ging es wieder mit "Feuer" den Berg hinauf.
Die Russen schossen immer weniger, und als wir hinaufkamen, sah und hörte
man nichts mehr. Sie machten Rückzug, nur die Toten und verwundeten ließen
sie zurück. So war es für uns leicht, den Berg zu stürmen.
Wir mussten uns in Schwarmlinie auflösen. Feldwachen wurden aufgestellt,
wobei wir bei scharfem Wind in unserer nassen Kleidung auf dem Bauch liegen
mussten. So verging die Nach unter Frieren und Schütteln am ganzen Körper.
Bei anbrechendem Morgen hieß es wieder weiter ohne zu rasten oder schlafen
immer näher dem Feind zu. Bei einem Walde hieß es, da werden die
Russen bald sein. Und richtig stoßen unsere Vorpatrouillen bald auf dieselben.
Da ging die Schießerei los mit dem Gewehr und mit den Maschinengewehren.
Das dauerte eine Stunde dann wurde mit beidseitigen Verlusten gestürmt.
300 ließen sich fangen. Die anderen traten den Rückzug an. Hätten
wir am ersten Tag früher gestürmt, hätten wir eine Partie Artillerie
auch erwischt welche die Russen stehen ließen und mit den Pferden davonritten.
Während wir stürmten, holten sie dieselben. Wir sahen es zu spät.
Obwohl wir mit den Gewehren nachschossen, kamen sie glücklich durch damit.
Die 300 Russen wurden entwaffnet und zurückgeführt. Wir aber gingen
immer weiter, trotz aller Mattigkeit und Müdigkeit. Das Essen war sehr
wenig. Bei einem Vormarsch sieht man die Küche nur alle 3 bis 4 Tage. So
ging es fort, Tag und Nacht. Durch Dörfer, die immer durchsucht wurden,
ob kein Feind versteckt oder ob kein Verrat verübt wurde. Denn es kam vor,
dass durch ganz kleine Bemerkungen Verrat verübt wurde. Entweder durch
einen unterirdischen Telefon, oder sie trieben ein Stück Vieh über
die Felder, oder es fing eine Windmühle zu laufen an, wobei sich der Feind
auskannte, und seine Artillerie zu schießen begann. Durch solches gingen
manche Regimenter drauf, die in Kolonnen marschierten und nicht gefasst waren,
und sich auch nicht schützen konnten. So kamen wir in die Stadt Duschow.
Wir kamen um eine Stunde zu spät, sonst hätten wir 3 russische Fahnen
erwischt, deren Regimenter aufgerieben und gefangen waren. Sie wurden von einigen
überlebenden Russen in Sicherheit gebracht. Wir durchsuchten die Stadt
und fanden unter verlassenen Häusern auch Lebensmittelmagazine. Wir stillten
unseren Hunger, nahmen mit was wir konnten und verließen die Stadt.
Und fort ging es wieder mit Sack und Pack über Berg und Tal. Mussten durch
Flüsse wo wir stellenweise bis zum Hals waten mussten.
So kam der 7. Mai.
Kamen auf eine Höhe neben dem Walde, wo wir die Russen aus ihren Stellungen
vertrieben hatten, welche den Rückzug antraten. Nur die Kosaken machten
einen Sturmangriff, wobei wir wieder Verluste hatten. Auch 2 Freunde von mir
wurden schon verwundet. Sie kamen zurück zum Verbandplatz und ins Spital.
Der eine davon, Kirschner Franz aus Texing, starb bald an seinen Verwundungen
und der andere, Prankl Leopold aus Wagram bei St. Pölten, wurde ziemlich
ausgeheilt und dann als Schwerinvalide in die Heimat entlassen. Ein dritter
Freund von mir, Salzer Josef aus Texing, ging mit den beiden zurück auf
den Verbandplatz. Er übergab sie dort und wollte uns dann wieder nachfolgen.
Wir aber hatten eine andere Richtung eingeschlagen. Er verfehlte uns und lief
den Russen in die Hände. So verlor ich an einem Tag drei meiner liebsten
Freunde. Einer meiner Arbeitskollegen aus der Heimat blieb noch übrig.
Wir schlossen uns zusammen und marschierten wieder weiter und sagten uns, lang
wird es bei uns auch nicht mehr dauern. Tun wir halt mit ,solange es geht. So
gings Tag und
Nacht, ohne zu schlafen. Voll Hunger und Mattigkeit.
So kam der 9. Mai!
Wir stießen wieder auf die Russen und es war wieder starkes Feuer. Der
Russe ging wieder aus seiner Stellung und trat den Rückzug an. Wir gingen
wieder vorwärts. Unterdessen bekam ich durch das unregelmäßige
Essen und den Entbehrungen die Ruhr. Ging vom Marsch zur Marschvisite und dachte
mir, vielleicht gelingt es mir doch, dass ich zurückkomme ins Spital um
mich auszukurieren und auszurasten. Aber ich hoffte umsonst. Der Arzt gab mir
Pulver und sagte, ich solle langsam hinter der Kompanie nachgehen. Aber das
wollte keiner. Keiner wollte von seinen Kameraden getrennt sein. Der Arzt sagte,
ein Zurück gibt es nicht nur ein Vorwärts. Not bringt Eifer, so versuchte
ich, weil die Pulver auch nicht halfen, den Absud von unserem Konservenkaffee.
Marschierte ich in meinem Zustand mit, das Blut rann mir durch die Hose, und
ging nicht weg, dachte mir entweder leben oder sterben, ich tu mit, solange,
es geht. Nahm fleißig den Kaffe und heilte mich so ziemlich aus.
So kam der 10. Mai!
Wir trafen wieder auf russische Schwarmlinien und so kam es wieder zu einem
großen Gefecht, welches 4 Stunden dauerte. Dann gingen wir vor, mussten
einen Fluss durchwaten, bis an den Hals standen wir im Wasser, da es doch viel
regnete in dieser Zeit. Dann gings den Berg hinauf, wo wir wieder beschossen
wurden und oben angelangt ging der Feind aus seiner Stellung und sammelte sich
unter dem Berg um uns zu stürmen. Wir bemerkten seine Absicht und gingen
in schnellster Linie vor, um die Russen gefangen zu nehmen. Wie wir auf 100
Schritte bei ihnen waren, bemerkte der Hauptmann die große Anzahl der
feindlichen Soldaten und rief "nicht mehr weiter, sonst sind wir alle verloren".
Wir wollten nicht hören und liefen noch 50 Schritte. Da kam uns der ganze
Rudel entgegen und wir schossen unser 80 Mann gleich stehend zurück. Der
Feind schoss was er konnte. Neben mir sank ein Kamerad, durchs Herz getroffen,
zusammen. Ich riss ihm gleich die Kleidung auseinander, um ihm trotz des fürchterlichen
Kugelhagels zu verbinden, aber er war schon tot. Dann mussten wir mit "Feuer"
den Sturm auf die Russen, die noch in den Schluchten standen, fortsetzten. Sie
warfen ihre Gewehre weg und gaben die Hände hoch. Sie waren so erschreckt
über unseren Angriff. Sie glaubten wir seinen ein ganzes Bataillon, dabei
waren wir nur 80 Mann. Wir nahmen sie gefangen. Es waren 800 Mann. Wir gingen
mit ihnen zurück zu den unseren. Und dann noch über einen Berg, dass
wir besser geschützt waren, denn wir wurden immer beschossen. Dann wurden
die Gefangenen aufgestellt. 4 und 4 wurden eingeteilt. Dann wurden von uns 12
Mann ausgesucht, wo ich auch dabei war, um sie zum Kommando zu bringen. Ein
Zugsführer ging mit, der alles über hatte. Ich hatte 6 Russen, über
die Maschinengewehre hingen, die gingen ganz zum Schluss. Die waren ganz unwillig
über die Last. Wäre fast notwendig gewesen, ich hätte sie selber
getragen.
Als ich hörte, dass ich mitmusste freute ich mich. Wir marschierten von
vormittags bis 1 Uhr nachts. Wir, mit voller Rüstung, 40 kg, und mit leerem
Magen. Wir machten öfter Rast und da hatten mir die Russen meine Reserve,
Zwieback, schon abgebettelt. Die hatten Speck bei sich und schwarzes Brot, wovon
sie mir gaben und ich meinen Hunger stillte. Nach der Übergabe bei der
Nacht bekamen wir schwarzen Kaffee, worüber wir froh waren, einmal was
Warmes zu bekommen. Dann mussten wir in den Häusern ein Lager suchen. Dies
dauerte eine Weile, bis wir eine Unterkunft fanden. Vom Schlafen war keine Rede
mehr. Frühzeitig mussten wir wieder heraus. Zum Anziehen gab es nichts,
da wir sowieso mit den Kleidern schliefen. Und zum Kochen gab es auch nichts,
da wir nur das hatten, was wir bettelten. So machten wir uns auf den Rückmarsch
zur Kompanie. Tag und Nacht mussten wir marschieren, dass wir wieder zu unseren
Kameraden kamen. Und anstatt etwas zu essen, war das erste, ein Verweis vom
Hauptmann, wo wir solange waren. Wo doch die Kompanie immer vorwärts ging,
wo kam die schon hin, während wir mit den Russen zurückmarschierten.
Und dann der weite Rückweg, bis wir sie wieder einholten. Als Belohnung
für den Fang der Russen kam der Befehl, dass alle 80 Mann Belobung haben.
Die Chargen wurden befördert und bekamen eine Medaille. Und die Chargenstellvertreter
wurden ebenfalls befördert, wo auch ich Gefreiter wurde. Die andern mussten
mit der Belobung zufrieden sein.
So vergingen die Tage und wir kamen immer näher zur Grenze, immer weiter
entfernt von der Heimat, wo wir schon traurigen Herzens daran dachten, unsere
Lieben nicht mehr zu sehen. Und die Strapazen die man mitmachte, den Hunger
den man litt, die Kälte die man ausstand.
Unglaublich was der Mensch alles aushalten kann. Die Pferde fielen um, eins
ums andere. Die hielten nicht soviel aus. Immer weiter ging es, nur "vorwärts"
hieß es, entweder leben oder sterben.
So kommt der 11. Mai!
Da kamen wir in der Nacht wieder an. Wir mussten uns mit Sack und Pack ein Nachtlager
suchen. Ein Ausziehen gab es nicht, da wir immer bereit sein mussten, und auch
vor den Überfällen der Kosaken nicht sicher waren.
Als Menage bekamen wir Suppe, ein Stücklein Fleisch und schwarzen Kaffee.
Was aber nur unseren Appetit reizte. Hunger hatten wir für zehn. Die Nacht
verging. Früh wurde gefragt wer krank ist, obwohl wir schon alle spitalsbedürftig
waren. Ganz trostlos und verlassen fühlten wir uns schon. Nur hie und da
kam die Feldpost und jede Zeile war erfrischend für unser trauriges Gemüt.
Aber so manche Karte war für Kameraden dabei, die ihren Lieben nicht mehr
antworten konnten. Die hatten schon ausgelitten und waren von uns in die kühle
Erde gesenkt worden. Ja so manche Angehörigen wissen heute noch nicht wo
ihr Gatte, Sohn, oder Bruder hingekommen ist. Mussten oft elendig zugrundegehen
und wir konnten nicht helfen, obwohl wir taten was möglich war.
Kam der 16. Mai!
Marschierten wieder den ganzen Tag und bei der Nacht kamen wir, es war ein ganzes
Bataillon, die Maschingewehrabteilung und andere Truppen, zum Flusse San, wo
wir auf unser Fuhrwerk warten mussten, die die Bontons führten zum Überschiffen.
Indem wir wegen des schlechten Weges der zwischen 2 Sümpfen lag und wir
durch eine Au mussten, schwer vorwärts konnten, kamen erst um Mitternacht
an. Beim Fahren machten die Eisenbontons großes Scheppern, dass man sie
schon weit hörte. Auch die Russen über dem San hörten es und
merkten unsere Absicht. Bei der Entladung der Wagen gab es wieder Lärm.
Dann wurde gleich ein Bonton ins Wasser gelassen, mit 10 Mann und 1 Führer.
Kamen bis an die Mitte des Flusses, dort wurden sie von den Russen beschossen
und versanken. Nun wurde der 2. ins Wasser gelassen, mit anderer Mannschaft.
Kamen ans darübere Ufer und wurden dort beschossen. Nun waren auch die
tot. Als der Feind sah, dass wir nicht aufgeben wollten, schoss er mit Gewehren,
Maschinengewehren und Artillerie fürchterlich auf uns. Die Gewehre hätten
uns nichts gemacht, da wir trotz großer Verluste hinüber kamen. Als
aber die Artillerie anfing zu schießen, und in die Au hereinschoss, wo
wir waren, da wurden viele erschlagen von den zerschossenen Bäumen. Da
ging es drunter und drüber, es war ein Durcheinander und ein Geschrei bis
es hell wurde. Morgen früh fingen die Truppen an zu laufen, alles rückwärts
hinter die Au. Alles lief durcheinander um sich zu retten. Wer den Weg übersah
auf dem wir kamen, der kam in den Sumpf. Was auch mich traf. Sah gar nicht so
gefährlich aus und dachte mir es wird schon gehen, dass ich durchkomme.
Ich machte ein paar Schritte und sank gleich bis zum Bauch im Sumpf ein. Die
Bemühungen herauszukommen, gab ich gleich auf um nicht weiter zu versinken.
Blieb stehen, umkreist von den Kugeln des Feindes und dachte mir, in dem ich
die herumliegenden Kameraden und Pferde betrachtete, so wird's halt mir auch
gehen, muss halt auch elendig zugrundegehen.
Es war der 17. Mai!
Es war 8 Uhr morgens, da lief einer von der Maschinengewehrabteilung vorbei
neben dem Fluss um sich von den Feinde zu retten. Ich rief ihm zu, er solle
mir helfen, er wollte nicht hören, da rief ich nochmals "so hilf mir
doch", "auf diesen Augenblick wird es dir doch nicht ankommen".
Da erbarmte er sich und ich hielt ihm das Gewehr hin. Er zog mich heraus. Dann
ging ich im Kugelregen des Feindes neben dem Fluss meinem Zug nach, bis ich
zu dem Weg der hinüberführte, wo unsere Kameraden waren, die noch
herausgekommen waren, aus diesem fürchterlichen Blutbade. Als ich sie einholte,
traf ich noch meinen Arbeitskollegen aus der Heimat, der einen Streifschuss
an der Hand hatte. Der sagte, ich habe schon meinen Teil und ging zurück
auf den Verbandplatz. Er muss aber später gefallen sein. In der Heimat
traf ich ihn nicht mehr. So verlor ich meinen letzten Kollegen. Und ich dachte
mir, wird halt dich auch bald treffen. Wir gruben uns ein, wo wir im Dreck und
Wasser liegen mussten. So verging der Tag und als die Nacht kam hieß es
wieder, wir müssen probieren über den San zu kommen. Sonst verstärkt
sich der Feind und es geht immer schlechter. Also probierten wir wieder, aber
ohne Erfolg. Es gingen wieder viele drauf. Dann kam der Befehl, es gelingt uns
nicht. Wir sollen uns hier gleich am San, hinter der ersten Stellung eingraben
und sollen weitere Befehle abwarten. Nun grub jeder was er konnte, um einen
Schützengraben zustande zu bringen, was bei der finsteren Nacht und mit
unserem kleinen Spaten kein Leichtes war.
So kam der 18. Mai!
Wir gruben den ganzen Tag fort. Ging kaum mehr, da uns der Hunger so peinigte.
Aber wir mussten graben. Da gab es kein Erbarmen. Zum Glück war die Au
voller Krähennester und wir holten uns die jungen Krähen unter Lebensgefahr
herunter, da der Feind immer herüberschoss. Es waren vielleicht bei hundert
Krähennester in der Au. Das war ein Geschrei und ein Gekräze, aber
durch unseren Hunger versuchten wir alles. In 2 Tagen war alles aufgegessen,
denn der Hunger tat weh. Da wurde die Haut heruntergerissen, in die Menageschale
hinein und gekocht. Als der Feind merkte, dass wir Feuer haben und kochten,
schoss er fleißig herüber. Und so manchen Kameraden wurde der Hunger
für immer gestillt.
So verblieben wir in Reserve bis 30 Mai!
Ruhe hatten wir auch keine während dieser Zeit. Mussten wir die Deckungen
verschönern, hie und da kleine Übungen machen, dann wieder Montur
reinigen, überhaupt alles was wir hatten bedurfte einer Reinigung. Bei
Nacht hieß es immer in Bereitschaft stehen, mit Sack und Pack, da wir
oft Alarm hatten, wo es immer hieß, der Russe möchte durchbrechen.
So vergingen die Nächte, immer das Gleiche. Einmal des Tages bekamen wir
Menage, was aber schon lauter Wasser war. Da die Küche weit zu fahren hatte,
war das Essen bereits schlecht.
Dann hieß es wieder Brot fassen gehen, was wir in der Kappe trugen, weil
es lauter Brösel waren und die nicht viel.
Auch etliche Zigaretten bekamen wir.
Die Hauptsache war die Feldpost, wenn die nachkam, mit Karten oder kleinen Paketen,
wo auch für mich immer was dabei war. Das einem das Leben doch wieder ein
wenig freute.
Dann musste man mit Gewehr und Bajonett wieder spionieren gehen, um den Feind
zu beobachten. Dann hieß es zurück zum Train um die Offiziersfassung,
auch bei Nacht mit Gewehr und Bajonett, im Kugelhagel. Denn der Feind hatte
immer den Brauch, auch während der Nacht fest zu schießen. Ich ging
deshalb gerne zur Fassung, da man hie und da von den Köchen etwas bekam,
auch vom Proviantoffizier, und da vergisst man leichter die Gefahr, wenn einem
der Hunger zwingt dazu. So ging ich auch einmal den 2stunden weiten Weg ausgerüstet
zurück zum Train. Kam dort an und bekam vom Koch Kaffee und einen halben
Stritzel Brot. Einen halben bekam ich zu kaufen. Dann besorgte ich die Fassung
der Offiziere. Nach 11 Uhr ging ich wieder weg vom Train, zurück zu den
Kameraden. Dachte mir, sie werden wieder Alarm geben in der Stellung und ging
fort in der Dunkelheit, hörte nichts als Schießereien. Kam zu Patrouillen
oder es hielt mich die Feldwache an und so kam ich immer näher der Stellung.
Konnte aber nicht so schnell gehen wie ich wollte, da immer mehr Kugeln um mich
umherschossen. Musste mich decken und schützen so gut ich konnte. Waren
hie und da alte Schützenlocher und Löcher von Granaten, wo ich mich
versteckte. Und musste auch trachten, endlich in die Stellung zu kommen. Als
ich dort ankam, übergab ich die Fassung dem Kompaniekommandanten. Ging
zurück zur Deckung, war niemand zu sehen. Dachte mir gleich, dass hier
was los sei. Suchte meinen Tornister. Er war leer, wusste aber nicht warum.
Da suchte ich meine Kameraden, die mich groß anschauten als ich ihnen
sagte warum ich so schau. Sagten sie, sie glaubten, dass ich bei dem großen
Angriff umgekommen sei. Und da ein Gefecht voraussichtig war, teilten sie meine
Sachen unter sich auf, damit dem Feind nichts in die Hände fällt.
Sie gaben mir alles zurück.
Da dachte ich mir, wie gefährlich mein Rückzug war, aber ich dachte
mir, dass ich schon so oft im Kugelhagel war, wird doch nicht diesmal ein Unglück
passieren. Wenn man öfter im Kugelregen ist, hat man nicht mehr soviel
Angst. Einmal beim sprungwärts Vorgehen flog mir eine Kugel vor den Kopf,
streifte mich am Arm und ging in den Rucksack hinein, wo sie mir alles zerrissen
hatte. Auch mein Reservepäcklein, worin ich Zwieback und Kaffee hatte.
Ich fand die Kugel und brachte sie in Aufbewahrung. Solche Fälle hatte
ich öfter und kam immer glücklich davon.
Des Hauptmann Plan war es immer, wir müssen über den San kommen, und
befahl immer, wir sollen mit der Reserve sparen so gut wir konnten, denn wenn
wir Glück haben und hinüber kommen, so kann es möglich sein,
dass wir eine Woche nichts zu essen bekommen. Und habe so immer gespart, ich
wäre auch solange durchgekommen. Und da hatten meine Kameraden recht, als
sie alles aufteilten. Wäre ich wirklich nicht mehr gekommen und sie wären
alle über den San gegangen, wäre alles verloren gewesen. Es waren
4 Stück Gulaschkonserven, ziemlich Kaffee und Zwieback und von den Packerln,
die ich von der Heimat geschickt bekam ( Packerl, was ins Feld ging, durfte
nur 35 dkg haben) war noch ein wenig Fleisch und Bäckerei. Mit Rauchmaterial
war ich auch versorgt.
Aber es kam ganz anders als wir dachten.
Es kam der 30. Mai!
Abends um 9 Uhr kam die Meldung, morgen um neun Uhr ist Lösung, die schon
einen Monat stand. Sagten wir uns, da kommt wieder etwas. Denn meistens vor
einem großen Gefecht war Lösung. Wir standen in der Nacht in Bereitschaft.
Da gabs am linken Flügel eine große Schießerei. Und als es
ein wenig grau wurde, wurde schon bekannt, dass der Russe am linken Flügel
durchgebrochen war und das 30. Infanterieregiment aufgerieben war. Wer nicht
tot oder in Gefangenschaft, hieß es vor in die Reserve. Und die Kommandanten
riefen "mir nach" und es ging schon im Laufschritt dahin, dachte keiner
mehr an die Lösung, sondern es geht um mehr. Nun liefen wir gedeckt fort
im Schützengraben. Waren bald dort, wo das 30 Infanterieregiment war. Und
die Russen auch nicht mehr weit weg davon. Zum Angriff war der Platz nicht günstig.
Da war ein kleiner Berg der in den San führte. War ein kleiner Weg angelegt,
wo man gedeckt gehen konnte. Wir gingen eine Weile so fort, wie uns der Russe
bemerkte, fing er auch schon zu schießen an. Mussten wieder vom Weg hinaus
in die Ebene, wo nicht weit weg ein Maierhof stand. Es war in der Nähe
der Stadt Gradiska. Wir liefen im Laufschritt ca. 1000 Schritte bis zum Maierhof,
um uns dort zu sammeln. Der Feind bemerkte es und schoss war er konnte. Wir
wurden von den Kugeln ganz bestreut.
Als wir ankamen, fanden wir nur Mauern, weil alles ausgebrannt war. Die noch
Überlebenden sammelten sich dort, dann mussten wir wieder weiterlaufen.
Wieder so weit, war ein kleiner Berg neben dem Walde, dort hieß es wieder
sammeln.
Als alle beisammen waren, hieß es in Schwarmlinie auflösen und vorgehen.
Als wir vorgingen und auf eine Anhöhe kamen, wo uns der Feind schön
bemerkte. So beschoss er uns mit Gewehr, Maschinengewehr und Artillerie. Da
fing es erst an. Es wird 5 Uhr Früh gewesen sein am 1. Juni!
1 Juni! Mit diesem Tag begann meine traurigste Zeit im Weltkrieg.
Verwundet und gefangen!
Wir gingen immer sprungvorwärts vor. Wir waren ganz am linken Flügel,
neben dem ersten Zug der 30 Kompanie, die ganz aufgerieben wurde. Wie wir so
sprungvorwärts vorgingen, ging der Jammer der Verwundeten los. Es ging
sehr langsam, weil mit der Artillerie so viel geschossen wurde. Auf jeden einzelnen
Mann den sie bemerkten, schossen sie mit Schrapnell oder Granaten. Wir waren
vielleicht 2 km weg von der russischen Schwarmlinie. Ca. 4 km weg war ein Dorf,
wo die russische Artillerie versteckt lag. Da wir talab vorgingen, hatten sie
eine schöne Schusslinie auf uns. Die beiderseitige Schießerei war
furchtbar. Und es hieß immer "vorwärts" im größten
Kugelhagel. Es hieß entweder leben oder sterben. Nun gingen wir langsam
vor. Das Geschrei der Verwundeten war fürchterlich. Konnte keiner zurückgebracht
werden. Konnte man nur einen Notverband machen und gedeckt liegen lassen. Bis
am Abend, erst in der Dunkelheit konnten sie zurückgebracht werden. Wer's
aushielt, war's recht, die anderen mussten elend zugrunde gehen. Sanität
war keine zu sehen. Gegen Mittag fing auch unsere Artillerie zu schießen
an, da sie erst von einer anderen Seite hergebracht werden musste. Wir waren
ganz allein im Gefecht. Nachmittags kam der Befehl, die Reserve sei bereits
hier. Nun gingen wir immer vor. Von dem Zug der neben uns war, war kein Mann
mehr über. Alle gefallen. Nachmittags fing es noch zu regnen an, dass wir
ausschauten wie die Schweindel.
Wie wir so vorgingen über die Felder, explodierte über uns ein Schrapnell.
Meine 2 Nebenmänner traf es. Einen leicht auf dem Rücken, den anderen
am Genick. Und in den Bauch, dass ihm der Kot vom Munde kam. War ein Korporal,
ein guter Kamerad von mir, er hatte auch eine Tapferkeitsmedaille.
Ich verband alle zwei im Kugelregen, machte ihnen eine Deckung mit den Rucksäcken
und aus etwas Erde, was ich mit dem Spaten zusammenschaufelte. Den es in den
Rücken traf, der konnte noch reden. Den Korporal ging es schlecht mit seiner
Verwundung. Nur das Eine sagte er, er wird bald sterben müssen. Ich sagte
ihm, er wird schon wieder ausgeheilt und es wird alles wieder gut werden. Er
bat mich, ich solle ihm alles abnehmen was er hatte und seinen Lieben nach Hause
schicken. Ich brachte es nicht übers Herz und tröstete ihn so gut
ich konnte. Er soll nur schön liegen bleiben, am Abend werden sie ihn schon
zurückbringen ins Spital. Er wollte mich nicht weglassen, ich sollte bei
ihm bleiben. Und ich konnte aber nicht, da ich Schwarmkommandant war und mit
meinen Leuten wieder vorgehen musste. Es kam mir schwer an ihn zu verlassen,
wo doch sein baldiges Ende voraussichtlich war. Mit Tränen nahmen wir Abschied,
denn wir waren uns einander recht zugetan. Wünschte ihm zum Schluss alles
Gut und ein Wiedersehen. Er wird wohl seine Heimat nicht mehr gesehen haben.
Ich ging mit meinen Leuten immer vor, in allem Regen und Kot. Es verging der
Tag und es kommt der Abend. Als wir auf Sturmweite vom Feind gewesen waren,
kam der Befehl, nur schießen was jeder kann, bis die Reserve kommt. Die
war aber noch weit weg. Schoß ein jeder was er konnte. Dachte mir schon,
lang darfs nimmer dauern, der Befehl lautete, nur halten bis zum letzten Mann.
Der Feind bemerkte, dass bald Reserve nachkommen wird, indem unser Häuflein
schon ganz klein war, da wir doch den ganzen Tag viele Verluste hatten. Er machte
Sturm auf uns, was sollten wir paar Männer machen. Wir schossen was wir
konnten.
Der Feind kam schon sehr nahe, ca. 30 Schritte war er weg.
Da traf mich eine Kugel in die Brust, dass mir das Blut sofort durch den Mund
und durch die Nase kam. Wie ich fiel, hatte ich das Gewehr noch schussbereit
in den Händen, sprangen 2 Russen auf mich zu, weil sie glaubten ich werde
noch schießen. Der eine packte mich am Genick, der andere versetze mir
einen Stich. Er hatte es wohl auf die Brust abgesehen, traf mich aber auf dem
rechten Oberarm. So war ich wehrlos und gefangen.
Als wir gestürmt wurden, waren wir noch 30 Mann von der Kompanie. Wer nicht
tot oder verwundet war, lief zurück zur Reserve. Die Verwundeten kamen
in Gefangenschaft.
Die 2 die mich gefangen hatten, schleppten mich zum russischen Schützengraben.
Ca. 30 Schritte davor ließen sie mich liegen, dürfte vermutlich kein
Lebenszeichen mehr gegeben haben. Sie hielten mich wohl für verloren, denn
das Blut quoll mir aus der Nase und aus dem Mund, was nur konnte.
So lag ich ohne Hilfe und Beistand die ganze Nacht. Zum Glück wusste ich
nichts was um mich vorging. In der Früh als es grau wurde, kam mir langsam
das Bewusstsein. Wie ich so auf dem Rücken lag, horchte ich was los ist.
Hörte immer noch schießen, mit Gewehren und Artillerie. Ich kam immer
mehr zu Bewusstsein, es wurde lichter und die Schießerei hörte ganz
auf. Wollte mich erheben, aber es ging nicht. Nun kam ich doch langsam zu Verstand.
Konnte mir gar nicht denken wie das kommt, dass ich nicht aufstehen konnte.
Sah ich erst, dass ich voll Blut bin. Der Atem ging so schwer, die Nase und
der Mund waren ein Blutstock. Da fiel mir doch wieder ein, dass ich verwundet
wurde. Wie aber das kommt, dass ich hier so liegen muss, und kein Mensch bei
mir ist? Da kam ich doch immer mehr zu mir, es wurde schon Tag, hörte nichts
schießen. Da wollte ich das Aufstehen wieder probieren, aber es ging noch
immer nicht. Und einen Schmerz hatte ich in der Hand, wollte die Hände
bewegen. Die linke war gesund, aber die rechte schmerzte. So dachte ich wieder
nach, endlich kam ich drauf, dass wir ja von den Russen gestürmt wurden
und ich so schwer verwundet wurde. Aber dass die Hand abgeschossen war, konnte
ich nicht verstehen. Denn ich konnte mich nur an den Hieb erinnern, und dass
mich die Russen mitschleppten, aber dass ich so liegen musste, konnte ich nicht
verstehen.
Mit Schmerzen probierte ich wieder das Aufstehen, diesmal ging es. Konnte ich
doch sitzen und konnte mit nassen Augen und schmerzenden Lippen das Elend betrachten
was mich umgab.
Wenn man so studierte, wie arm und verlassen man ist. Kein Mensch kann einem
helfen, da sah man, dass man sich selbst helfen muss. War ganz elend und matt
von dem vielen Blutverlust. Da fiel mir ein, dass ich die Feldflasche im Brotsack
habe. War ein Schluck Wasser drin der mich sehr erfrischte. War immer drauf
bedacht, einen Schluck Wasser bei mir zu haben, denn das hat schon manchen das
Leben gerettet im Feld.
Dann mit der Zeit konnte ich aufstehen, hielt es aber vor Mattigkeit nicht aus.
War neben mir ein kleiner Baum, daran setzte ich mich, bis mir wieder leichter
war. Schaute so herum was ich tun sollte, konnte mit keinem Menschen reden,
da alles um mich tot war. Dachte mir so, ihr armen Kameraden habt es alle überstanden,
wisst nichts mehr von euch, aber wie wird es mir noch gehen, muss ich elend
verschmachten.
Ein dichter Nebel war ringsherum, dass man nicht weit sehen konnte. Endlich
bemerkte ich in geringer Entfernung Leute, die wahrscheinlich auf Beobachtung
waren. Als der Nebel verging, bemerkten sie, dass da noch jemand am Leben ist.
Kam mir näher und winkte, dass ich zu ihm kommen solle. Voll Freude und
Schmerz schleppte ich mich hin, in dem Gedanken, bin doch nicht ganz verlassen.
Glaubte anfangs es sind unsere. Wie ich aber näher kam, fast bis zum Schützengraben,
bemerkte ich, dass es Russen sind. Aber was will man machen, wenn einem das
Unglück so trifft. Wo unsere Leute waren, konnte ich mir nicht denken.
Sie mussten wahrscheinlich weit hinten sein. Dass diese Russen von der 2. Schwarmlinie
waren, da ich ganz wenige sah im Schützengraben.
Sie waren ganz gut mit mir, setzten mich nieder, um mich zu verbinden. Da es
am Vortag geregnet hatte, hatte ich den Mantel an. Und da er voll Blut und Kot
war, wollten mir die 4 Russen den Mantel ausziehen, aber leider ging es nicht.
Bemerkten sie, dass an der Hand auch was los war. Reden konnte ich nicht mit
ihnen, da keiner deutsch verstand.
Sah einer, dass der Ärmel durchlöchert ist, nahm sein Messer heraus
und schnitt mir den Ärmel von Mantel, Bluse und Hemd herunter. Da sah man,
dass die Hand durchlöchert war. Auch einen Schuss hatte ich im Oberarm.
Weiß nicht, von wo der her war. Konnte mich nur an den Hieb erinnern.
War mir zu dumm, wo der her war. Dachte mir, wie mich die 2 am Vortag gefangen
nahmen und mitgeschleppt hatten, ich bewusstlos wurde und zusammensank? Dass
die mir vielleicht noch einen Schuss gaben?
Oder ich hatte ihn in der Nacht beim Liegen erwischt. Das blieb mir selbst ein
Rätsel.
Als ich ihnen die Wunde auf der Brust zeigte, redeten sie durcheinander und
schüttelten die Köpfe. Redeten wahrscheinlich, dass dieser Mensch
das ausgehalten hat, ohne ihm gleich zu helfen. Mir war es ebenfalls zu dumm,
dass man soviel aushalten kann. Dann gaben sie mir auf die Hand einen Notverband,
nahmen 2 Gewehrriemen und hängten mir die Hand darauf. Die Riemen gaben
sie mir um den Hals. Ohne mir sonst etwas anzutun. Die Brustwunde hatte aufgehört
zu bluten und war verstockt, dass sie mich nicht verbinden brauchten. Nur aus
dem Mund sickerte noch ein wenig Blut. Als sie alles in Ordnung hatten, musste
ich mit einem Russen über den San gehen. War ein Notsteg, der im Wasser
schwamm. Glaubte jetzt und jetzt, ich müsse untergehen und kam aber doch
glücklich hinüber.
Dort war wieder eine Schwarmlinie. Die schauten mich groß an. Musste dort
warten und mich setzten. Dann wollten sie mich ausfragen. Ich verstand keine
Silbe, konnte ihnen keine Auskunft geben. Sie drohten mir mit Gewehr und Säbel.
Glaubte schon immer sie wollen mich umbringen, da sie doch einen fürchterlichen
Zorn auf uns hatten. Da sie doch den ganzen Mai immer Rückzug machen mussten
und große Verluste hatten. Konnte doch einer dabeisein, denn es nichts
ausmachte, einen Verwundeten umzubringen, denn rachgierige gab es genug bei
den Russen, so gut wie bei uns. Überhaupt den Kosaken war alles zuzutrauen.
Bis gegen Mittag musste ich dort warten, dann kamen vier Sanitäter mit
einer Tragbahre, legten mich drauf und trugen mich richtig ein Stück. Dann
musste ich ein Stück gehen, wo mich 2 an den Armen führten. Kam in
das Bauerndorf, wo der Verbandsplatz war. Dort wurde ich ganz ausgezogen und
die Brust wurde verbunden. Nachdem ich verbunden wurde, wurde mir schnell das
Hemd angezogen, aus gewissen Gründen.
Da einem die Räuber schon wegnahmen was ihnen gefielen. Man kann nicht
so schnell denken was man hat, und reden kann man auch nicht, dass man sich
dagegen wehren könnte und man traut sich auch gar nicht recht. Die Pelzjacke
die ich von zu Hause mit hatte, die Uhr und die Kette, waren das Erste was ich
weg hatte. Mir gings gleich ab und ich fing an zu lamentieren, da ich doch Angst
hatte vor der großen Kälte, in Russland und Sibirien. Was jeder wusste.
Sie wollten mich aber nicht anhören und wollten mich hinausschummeln, ließ
mich aber nicht so schnell abweisen und zeigte nur was mir fehlte. Da ich gar
nicht aufhörte, gaben sie mir wieder die Weste, aber die Uhr und die Kette
nicht mehr. Dann musste ich hinaus zum Wasser und setzte mich zu den Verwundeten
Russen nieder. Die Dorfbewohner brachten ihnen Brot und Milch zu essen, wo sie
auch mit mir teilten, weil ich ihnen erbarmte, dass so ich verunglückte.
Die Milch schmeckte mir am besten. Da ich doch schon lange keine gesehen hatte
und schon ein paar Tage nichts zu essen hatte.
Und so kam die Nacht, die erste in der Gefangenschaft. Es kamen noch mehrere
unsrige Verwundete dazu, aber lauter Ungarn und Polaken, mit denen ich auch
nicht reden konnte. Wir mussten auf einem harten Tennenboden die Nacht verbringen.
Sogar einen Posten hatten wir bei uns. Wir wussten nicht warum, wo wir doch
lauter Verwundete waren. So verging noch ein Tag und noch eine Nacht.
3. Juni! Fahrt ins Spital!
Gegen Mittag kamen die Sanitätswägen. Da wurden wir eingeladen und
fort fuhren sie mit uns, so schnell es ging. Die glaubten, sie dürften
lauter Gesunde am Wagen haben. Wir fuhren zirka 3 Stunden, kamen in eine Stadt
neben der Grenze.
Kamen bei einem Spital an, wurden über die Stiege hinaufgeschleppt und
auf die dort befindlichen Pritschen gebettet. Dann bekamen wir einen frischen
Verband und Menage und schwarzes Brot. Da konnten wir uns nach langer Zeit wieder
satt essen. Ich lag mitten unter den Russen. War so schwach und elend, dass
ich mir gar nicht helfen konnte. Musste immer liegen. Der Abort war zirka 50
Schritt weg vom Zimmer und ich musste in meinem Zustand hinaus. Das fürchtete
ich. Denn ich bekam keinen Atem und musste mich an der Mauer festhalten, dass
ich nicht umfiel und alle 5 Schritte musste ich rasten.
Aber es ging mir jeden Tag besser. Die Lunge wurde freier, dass ich besser Atem
schöpfen konnte. Aber das Blutspucken dauerte noch 14 Tage. Während
der 7 Tage, wo wir dort waren, bekam ich im Genick ein großes Abszess,
musste operiert werden. Wurde mir der Kopf dann auch noch verbunden, dass ich
kam heraussah. Es war ein fürchterlicher Schmerz.
Das Volk kam hie und da herein ins Spital und brachte den Russen eine kleine
Spende, meist Bäckerei, wovon ich auch etwas bekam. War aber nicht so gut
wie in der Heimat. Erbarmte ihnen, sagten dieser Mensch kann was aushalten.
War doch ganz verbunden. Der Kopf verbunden, die Hand auf und in der Schlinge,
und Brust und Rücken war alles ein Wickel.
So vergingen die Tage in trauriger Einsamkeit. Keinen Menschen konnte ich mein
Leid klagen. Mit den Gedanken immer in der lieben Heimat, wann ich schon draufgehen
muss, wenn ich doch in der Heimat bei meinen Lieben ein Grab haben könnte.
So manche Feldpostkarte wird wieder für mich abgegangen sein und hätte
mich wieder eine Zeit lang aus meinen trüben Gedanken gerissen. Aber leider
war mein Schicksal wo anders als im Felde. Eine Krankenschwester, die deutsch
schreiben konnte, bat ich, doch einige Zeilen an meine Lieben zu schreiben.
Sie erfüllte gern meinen Wunsch und die Karte erreichte ihr Ziel. Wenigstens
wussten sie was mit mir los ist. Da schon geredet wurde, dass ich gefallen bin.
An den Russen konnte man von zu Hause nicht schreiben, so blieb ich lange ohne
Nachricht. Wenn ich Geldmittel gehabt hätte, hätte ich mir das Leben
etwas verschönern können. Die Russen, die gehen konnten, kauften sich
Brot und Semmeln vom Bäcker. Ich hatte die 8 Kronen, die ich bei der Gefangennahme
in einem kleinen Päcklein um den Hals gehängt hatte und voller Blut
war. Die Russen müssen es für etwas Geweihtes gehalten haben und haben
es mir gelassen. Auch das Notizbuch, Fotografien, Taschenmesser und Taschentuch
verblieb mir. Ich hatte auch Verlangen nach einem Laibchen weißen Brot.
Ließ mir eins mitbringen, was eine Krone kostete. Hatte lange daran zu
essen. Es war sehr gut. Konnte aber wegen des Abszesses schlecht beißen.
Es kam der 11. Juni!
Hörte ich noch in der Ferne schießen, sogar Gewehrfeuer hörte
man. War mein erster Gedanke, vielleicht kommen die Unseren noch, dass ich nochmals
erlöst würde, wenn die Russen nicht Zeit hätten uns wegzuräumen.
Frühmorgens als es grau wurde, drehte ich mich zum Fenster, da ich neben
einem lag und sah hinunter was los ist. Da sah man schon alle auf den Beinen.
Die Wagen wurden beladen mit Einrichtung und Heu. Das Vieh und Volk kam hinten
nach. Alles machte sich auf um sich zu retten. Das ging so fort den ganzen Vormittag.
Dachte mir schon, haben halt auf uns vergessen und werden uns nicht mehr wegräumen.
Entweder sie lassen uns liegen oder stecken das Haus in Brand, was oft vorkam
beim Rückzug. Wer konnte, der rettete sein Leben. Die anderen mussten verbrennen.
Wird so gegen mittags gewesen sein, kamen Wägen angefahren, so wie die
Galizier sie haben und blieben beim Tor stehen.
Nun begann die Flucht ins Innere Russlands!
Jetzt gings um uns, kamen in unser Zimmer, einer packte mich beim Kopf, der
andere bei den Füßen und hinunter ging es über die Stufen, so
wurden die Wägen beladen. Und fort gings in einem Teufel über Berg
und Täler. Jeden Moment musste man fürchten, dass man hinuntergeschupft
wird vom Wagen. Ich hatte fürchterliche Schmerzen, glaubte mein letztes
Stündlein sei nah. Der Kopf schmerzte und erst die Hand. Die war doch am
Oberarm ganz zerschmettert und bei jedem Ruck den der Wagen machte, gingen die
Knochen füreinander.
Fuhren ungefähr 5 Stunden, waren schon in Russland, kamen in eine kleine
Stadt, und wurden in einem Zivilhaus untergebracht. Mussten am Boden liegen
und bekamen ein wenig Menage. Wie es halt bei einem Transport hergeht. Verbrachten
da 2 Tage, dann hieß es, wer krank sei solle sich melden. War ohnehin
alles krank, brauchte sich keiner melden.
Nun wurde ein Transport zusammengestellt.
Am 14. Juni, um 1 Uhr nachts wurden wir auf die Feldbahn verladen, die hinter
dem Haus vorbeiging.
Ich lag auf einem offenen Wagen unter lauter Russen, die mich groß ansahen.
Aber sonst scherten sie sich nicht um mich. So fuhren wir die ganze Nacht und
den ganzen Tag bis um 11 Uhr nachts. Da kamen wir zur Hauptbahn, wo wir in die
Sanitätswagen umgeladen wurden und nach kurzer Zeit wegfuhren. Da tat es
mir wohl, es war wirklich besser liegen. Auch bekamen wir Menage und Wäsche.
Mussten uns umziehen. Unsere Sachen kamen in einen Sack, bis zu unserer Auswaggonierung.
Ich wurde gewaschen und bekam wieder einen Notverband. Operieren oder sonst
schwereres geht nur im Spital. Wir fuhren zwei Nächte und 3 Tage bis in
die Stadt Breslichoski.
Da standen wieder Sanitätswägen, wo wir eingeladen wurden und durch
die Festung ins Festungsspital gebracht wurden. Es war ein schönes Spital,
nett und rein, was man bei den Russen selten findet. Aber das Essen war sehr
wenig und Hunger hatte ich für fünf. Und um die 7 Kronen die ich noch
hatte, war mir leid, dass ich mir etwas gekauft hätte. Dachte mir immer,
es könne eine noch schlechtere Zeit kommen für mich, da werde ich
froh sein, wenn ich meine Kronen habe. Ich verbrachte dort 3 Tage, dann wurden
wir wieder zur Bahn gebracht. Kamen wieder in Sanitätswägen und kamen
nach Kiew. Dort wurden wir wieder auswaggoniert, kamen in eine Wartehalle und
mussten 3 Stunden warten. Dann kamen wir wieder in Sanitätswägen.
Unser nächstes Ziel war Moskau!
Am 21. Juni, 8 Uhr abends kamen wir an. Wurden von den Waggons in die Elektrische
umgeladen und fuhren zirka eine Stunde durch die Stadt, bis zu einer Schule,
die als Spital diente. Die Fahrt war schön, konnte man nicht genug staunen.
Herrliche Gartenanlagen, schöne Häuser und Kirchen waren zu sehen,
mit schönen Türmen. Die Stadt hatte 80 km im Umfang und waren 200
Kirchen mit Goldkuppeln. Jene Häuser in der Stadt, die von Deutschen bewohnt
waren, waren ganz demoliert, alles war zerschlagen von den Demonstranten, wegen
des Krieges Deutschland gegen Russland.
Als wir bei der Schule ankamen, wurden wir gleich untergebracht. Da waren lauter
Gefangene, alle verwundet, alle Nationen, jede Nation separat. Da konnte ich
doch wieder meine Muttersprache reden, da schon Deutsche dort waren.
Da war ein Ungarischer Arzt, der mich behandelte und sein möglichstes tat.
Wir wurden zuerst gereinigt, dann kamen wir ins Verbandzimmer. Der Arzt fragte
mich, wann ich verwundet wurde. Auf meine Antwort entgegnete er, es wäre
jetzt aber schon höchste Zeit, dass die Hand einen Gipsverband bekommt,
sonst verkrüppelt sie. So bekam ich gleich einen und die anderen Wunden
wurden auch verbunden. War ich froh, einmal in ordentliche Hände gekommen
zu sein. Die drei Wochen haben mir lange genug gedauert.
Die Behandlung war auch nicht schlecht. Das Essen war wohl wenig. So vergingen
die Tage. Bekam zum 2. Mal die Ruhr. Wurde mir aber gleich geholfen. Eine Schwester
war auch da, die ein wenig Deutsch verstand. Die fragte, wer nach Hause schreiben
wolle. Das wollte jeder und sie besorgte Karten vom Roten Kreuz. Und denen die
nicht selbst schreiben konnten, schrieb sie an die Angehörigen. Auch mir.
Kam keine Antwort darauf, so sehnsüchtig man auch wartete. Sie fragte auch,
wer österreichisches Geld hat zum auswechseln. Ich gab ihr auch 3 Kronen
zum Auswechseln, dass ich auch russisches Geld hatte.
So kam der 30. Juni!
Wurde wieder ein Transport zusammengestellt. War auch ich dabei und glaubte
es sei schon Frieden und es geht wieder der Heimat zu. Kamen wieder auf die
Elektrische und fuhren auf einer anderen Seite zurück zur Bahn, wo wir
wieder in die Sanitätswägen kamen. Fuhren bei der Nacht noch weg und
als es grau wurde, sah man, dass es immer weiter hineingehe und nicht zurück.
Kamen gegen Mittag in Riszanz an, wurden auswaggoniert, kamen ins Spital. Die
Umgebung der Stadt war so voll Unordnung, der Mist lag auf den Straßen,
die Häuser waren ganz zerlumpt, es war eine schmutzige Stadt. Auch im Spital
war die selbe Unordnung. Es waren alle Nationen durcheinander, auch Russen waren
dabei. Die Bedienungsmannschaft war lauter Rumänen und Rutschenen. Die
schauten nur auf die eigenen Leute und auf die Russen. Um uns Deutsche scherten
sie sich nicht. Auch die Ärzte waren nicht viel besser. Machten nicht viele
Geschichten mit uns. Nur bei einer schlechten Aussicht auf Heilung wurde gleich
ohne Betäubung amputiert. Das war jeden Tag ein Geschrei und die Armen
konnten sich nicht helfen. Lag so mancher am nächsten Tag in der Totenkammer,
wo sich niemand scherte um ihn.
Als ich zur Visite kam, wurden meine Wunden untersucht. Der Gipsverband wurde
zu leicht befunden. Wurde ein großes Messer genommen und heruntergeschnitten.
Die Wunde ein wenig angeschaut und ein neuer angelegt. Waren zwei beisammen,
einer packte mich am Oberarm, der andere beim Unterarm, zogen jeder fest an,
ich dachte mein letztes Stündlein hat geschlagen. Dann machte die Schwester
den Verband drauf. Dann wurden die anderen Wunden auch verbunden und durfte
wieder auf mein Zimmer zurück. Dort lag ich neben einem verwundeten Zigeuner,
mit dem ich auch nicht reden konnte.
So vergingen die Tage. Die Hand schwoll fürchterlich an, weil der Verband
zu fest war. Konnte es kaum mehr aushalten vor Schmerzen. Vom Schlafen gar keine
Rede mehr. Wenn man so nachdenkt, was man unschuldigerweise alles erleiden muss,
man kann gar nichts dafür dass man gefangen wird.
Da die Schmerzen nicht nachließen, wurde die Hand wieder visitiert. Dann
redeten die Ärzte durcheinander. Wahrscheinlich werden sie gesagt haben,
mit dem machen wir keine Geschichten. Nahmen ein Messer und schnitten wieder
den Gipsverband herunter und gaben mir die Hand in die Schlinge. Aber ich dachte
mir, werdet kein Glück haben mir die Hand zu ruinieren. Schonte mich, soviel
ich konnte. Da ich zum Glück im Sommer verwundet wurde und mich ganz ausgeblutet
hatte, konnte die Wunde schön zu heilen anfangen, da sie nicht Eiter fassen
konnte. Wir gingen jeden Tag 2 Stunden im Hofe spazieren, damit das Liegen wieder
besser war. Da hatte ich die Hand in der Schlinge. Aber nur diese Zeit. Im Bett
lag ich immer am Rücken und hatte die Hand am Bauch liegen, mit der Decke
sorgsam zugedeckt, damit sie schön heilen konnte. Vom Schlafen war keine
Rede. In der Nacht sekierten einen die Wanzen, am Tag war es besser. Dafür
quälte einen der Hunger. Die Menage war sehr schlecht.
Eine Fischsuppe mit Kartoffeln oder Erdäpfelpuffer samt Schäler und
3 Löffel Karscha. Das ist wie ein Hendlbrein. Fleisch gab es zweimal in
der Woche. Ein fingergroßes Stückerl. Und 40 dkg Brot am Tag, aber
so schwarz und bitter, das Wasser rann heraus, wenn man es drückt und wenn
es 1 Tag alt war, war es so schimmelig zum Wegwerfen.
Magenkranke gingen zugrunde dabei. Früh und abends bekam man eine Schale
Tee, aber keinen solchen wie zu Hause.
Es waren einige, die schon über 1 Jahr da waren. Die hatten schon von zu
Hause Geld und konnten sich was zubessern. Aber ich mit meinen paar Kronen konnte
nicht viel machen. So vergingen die Tage im Trübsinn dahin und wenn man
die Krüppel betrachtete, die da waren, ohne Hände und Füße
und Augen. Und die Sehnsucht nach der Heimat zehrte an uns allen. Diejenigen
die schon länger da waren, bekamen von zu Hause Nachricht, dass es nicht
mehr lange dauern und Friede wird. Und da es immer lang dauerte, bis eine Nachricht
nach Russland kam, so glaubte man es muss schon Friede sein, dass wir bald erlöst
würden.
Da kam der 29. August!
Wurde wieder ein Transport zusammengestellt, wo ich auch wieder dazukam. Die
Wunden waren schon ziemlich ausgeheilt. Nur der Knochen in der Hand wackelte
noch. Ich war glücklich, dass ich schon soweit war mit meiner Heilung.
Nun wurde jeder visitiert wegen der Montur. Die Hose tat es noch und die Pelzweste.
Die zerrissene Unterhose, das Hemd, die Bluse und der Mantel hatten nur einen
Ärmel. Erhielt ich einen Rock statt dem Mantel, dass der Arm nicht ganz
bloß war. Sonst musste ich alles behalten wie es war. Auch die Kappe verblieb
mir.
So wurden wir bei Nacht wegtransportiert. Und alle die wir hinter uns ließen,
wünschten uns viel Glück zur Heimreise und gaben uns Grüße
auf in die Heimat. Denn wir alle waren der Meinung, wir würden ausgetauscht
werden. Aber als wir die Nacht durchfuhren, es Tag wurde, und wir sahen, dass
die Richtung nach Sibirien geht, wurden wir immer trauriger.
Wir kamen nach Goslof, von dort nach Tambah.
Kamen um 5 Uhr abends an. Wurden auswaggoniert und kamen in ein Sammellager,
wo dann größere Transporte zusammengestellt wurden, zur
Fahrt ins eisige Sibirien!
Sah wohl jeder traurig drein, wenn er an sein Los dachte. Nun mussten wir uns
im Sammellager eine Liegestatt suchen für die Nacht. Viele lagen im Hofe
oder auf dem Dachboden, in den Gängen. Auch hinter den Pritschen war alles
voll. Wo nur ein Platzerl war, kroch einer hinein. Alles lag fast aufeinander.
Läuse und Ungeziefer gabs, dass sie einem fast forttrugen, konnte sich
niemand helfen. Zum Reinigen war der Platz zu klein. Hinaus durfte keiner, es
war zum Verzweifeln. Langsam verging doch die Nacht.
Während des Tages, als ich so in dem Menschenhaufen herumsuchte, entdeckte
ich voll Freude einen Bekannten aus der Heimat, den Schrittwieser Emmerich aus
St. Gotthard. War mir gleich leichter ums Herz, da ich einen Bekannten aus der
Heimat hatte. Er kannte mich bald, ich hatte die Hand noch in der Schlinge und
klagte ihm mein ganzes Leid. Und dass vom Frieden gesprochen wurde in unserem
früheren Lager. Und wir voll Freude weggefahren sind, da wir glaubten es
geht der Heimat zu. Er war vor kurzem erst in die Gefangenschaft gekommen. Er
erzählte mir, dass man an einen Frieden noch gar nicht denken konnte, dass
es fest zugeht an der Front und niemand sagen kann, wenn es zu Ende geht. Dann
erzählte er mir sein Leid. Wie es ihm ergangen ist und wie er in Gefangenschaft
kam. Bei Sopal hatten sie große Verluste und wurde das ganze 10. Jägerbataillon
aufgerieben. Was nicht tot war, kam in Gefangenschaft. Er war froh, dass er
gesund ist und das Hundeleben im Spital und Lager nicht mitmachen brauchte.
Sobald Gelegenheit ist auf Arbeit zu gehen, wird er sich melden, um sich leichter
durchzuschlagen. Wir sprachen noch so Manches über die Front und von zu
Hause, so verging der Tag. Manage war wieder dieselbe und schwarzes Brot. Dann
kam wieder die schreckliche Nacht wie am Vortag. Wer Geld hatte, kaufte sich
eine Kerze, die anderen mussten sich so begnügen. Wenn einer seine Notdurft
verrichten musste, stolperte im Dunkeln einer über den anderen. Das war
eine Schimpferei und Schelterei, über den Krieg und über die Gefangenschaft
und über das elende Leben das man hatte.
So verging die Nacht und es kam der 1. September!
Wurde wieder ein Transport zusammengestellt. Traf mich wieder. Nach traurigem
Abschied von meinem Freund, da nur Verwundete zum Transport kamen und gaben
Grüße auf, wenn doch einer früher nach Hause kommen würde.
So fuhren wir traurigen Herzens weg und kamen nach Pensa, von da nach Sysran.
Von da fuhren wir weiter um 8 Uhr Früh und kamen nach Samara. Da bekamen
wir Mittagessen. Wie gewöhnlich die russische Kost. Für die vorherigen
Tage bekamen wir das Zehrgeld. Für den Tag waren es 15 Kopeken, die wir
bekommen sollten um uns zu verköstigen. Da beschwindelte uns schon der
Transportkommandant, dass ihm was blieb. Das erste Mal zahlte er uns bei Tag
aus, das nächste Mal bei Nacht, dass ihm ein Tag blieb.
So wurden wir gleich die ersten Tage beschwindelt. Und mit dem Selbstverköstigen
war es auch so eine Sache. Wenn der Zug nur kurze Zeit anhielt, konnte sich
nicht jeder etwas kaufen, denn es war ein Transport mit 500 Mann. Wo er anhielt,
waren die kleinen Standerl gleich besetzt. Und wie es bei mir war, ich hatte
doch die Hand in der Schlinge, musste ich auf allerletzt warten mit dem Ausspringen,
da wir in Viehwaggons fuhren. Sie hatten kein Geländer und keinen Aufstieg.
Konnte ich mir gar nicht helfen. Bis ich zu den Standeln kam, war alles besetzt.
Und ich musste draußen warten, da ich nicht drängen konnte mit meiner
Hand. Und das Verkaufen bei den Russen ging nicht so schnell, da sie schwer
fertig werden mit dem Rechnen. So kam die Zeit wieder zum Einsteigen. Es pfiff
der Zug und ich musste wieder leer weggehen. Alles trachtete zum Einsteigen.
Ich musste wieder zuletzt warten, dann wurde mir doch immer geholfen. Es kam
aber vor, dass manchem der Zug davonfuhr. Was mit solchen geschah, weiß
ich nicht. So musste ich wieder weiter mit dem hungrigen Magen. Meine Liegestatt
war im Waggon unter der Pritsche, da ich mit meiner Hand nicht gepresst liegen
konnte.
Am 8. September!
Kamen wir am Abend in Ufa an. Von da nach Tscheljabinsk, das war schon in Sibirien.
Graute schon jedem vor der eisigen Luft. Die Waggons waren kalt. Zum Einheizen
hatten wir nichts. In Tscheljabinsk blieb der Zug am 8. September stehen, wo
wir in den Waggons übernachteten.
Früh fuhren wir weg und kamen am 10. September nach Omsk. Mussten aus den
Waggons heraus und mussten uns in Reihe und Glied anstellen und zur Menagestelle
marschieren. Wie wir dort ankamen, gab es wieder die Menage wie früher.
Denn in Russland und Sibirien gab es keinen anderen Speisezettel in der Gefangenschaft.
Fischsuppe, Kartoffelpuffer und Karscha und ein bisschen schwarzes Brot. Dann
stellten sie uns wieder zusammen, was bei den Russen lange herging, bis sie
uns fertig brachten.
Als ich so herumsah in der Menge, sah ich ein bekanntes Gesicht. Wusste aber
nicht wer es sein sollte. Man war ja voll Bart und die Haare lang, denn zum
Rasieren oder Frisieren gab es keine Möglichkeit und auch kein Geld. So
war man fast unkenntlich.
Wir trachteten immer näher zusammen und kamen im Laufe des Gespräches
drauf, dass wir zwei gute alte Freunde aus der Heimat waren. Es war Fohringer
Josef aus Bernreit bei Texing und war in Mank längere Zeit bedienstet.
Das war eine Freude. Erzählten einander unser Los und was wir schon alles
mitmachten. Er kam auch verwundet in die Gefangenschaft. Hatte einen Schuss
im Oberschenkel. Musste öfter operiert werden. Musste viel mitmachen, bis
er halbwegs zum Gehen kam.
Er war in Petrobawlowsk, eine Stadt vor Omsk, im Spital und wurde bei seiner
Entlassung unserem Transport zugeteilt bei der Nacht, und fuhr mit bis Omsk,
wo wir uns trafen.
Wir beschlossen, nicht mehr voneinander zu gehen, sobald wir auswaggoniert werden.
Denn gleich gab es kein Zusammenbleiben. Musste jeder wieder in seinen Waggon,
denn das ließ unsere Bewachung nicht zu und der Transportkommandant. Nun
erzählten wir uns so manches über unsere Lieben in der Heimat. Wo
jeden die Tränen in den Augen stand, wusste doch keiner etwas von zu Hause,
man bekam gar kein Schreiben. Was musste man so alles aushalten und man konnte
sich nicht helfen. Da wir wieder in unsere Waggons mussten, verabschiedeten
wir uns und hofften uns bald wieder zu sehen.
Abends fuhren wir wieder weiter und dem 13. September fuhren wir durch die große
Stadt Amkerisch, am Flusse Ob.
Groß war die Stadt, aber es waren durchwegs hölzerne Hauser, nur
wenige waren gemauert. Die Kultur war ganz gleich wie im ganzen Reich. Die Kälte
wurde immer mehr, da wir immer mehr nach Norden fuhren, wo schon im September
strenger Winter ist. Schnee war wohl noch nicht, aber gefroren war es schon
steinhart. Uns schüttelte es in den Waggons vor Kälte. Einheizen konnte
man nicht. Und von der Menage, die man jeden zweiten oder dritten Tag bekam,
konnte man sich auch nicht erwärmen.
Wie fuhr immer weiter und kamen nach Nover Nikolajevka, eine große Stadt
im gleichen Stile.
Von da immer weiter und weiter bis nach Krasnojarsk. Dort angekommen, den 16.
September, wurden wir auswaggoniert. Mussten uns 4 und 4 aufstellen und die
Russen, die den Transport über hatten, zählten uns ab, was lange herging.
Dann kam die Bewachung vom Lager in das wir kommen sollten und zählten
uns wieder.
Es wurde gefragt wer krank ist, oder sonst schlecht gehen kann, der soll sich
melden, denn es waren 8 Wärs (nach unserer Berechnung ist ein Wärs
um 70 m länger als ein Kilometer) ins Lager. Da wären wohl die meisten
gewesen, denn alles war matt, denn wenn man 16 Tage im Transport ist, wobei
40 Mann in einem Viehwaggon zusammengepfercht waren, nicht viel zu essen, und
vom Spital schon ausgehungert, da kann keiner mehr kräftig sein. Nun meldeten
sich die, die an den Füßen verwundet waren und die, die mit Krücken
gingen, wo auch mein Kollege dabei war.
Nun war alles geregelt zum Abmarsch. Zum Tragen hatte keiner viel. Meine Habseligkeiten
trug ich im Sacktüchlein eingepackt. Einen Holzlöffel und eine leere
Patronenbüchse, die mir als Essschale diente. Nun marschierten wir ab,
mit Ach und Weh gings durch die Nacht sehr langsam. Die Bevölkerung sah
uns groß an, einige beschimpften uns, andere wieder erbarmten wir. So
ging es durch die Stadt. Dann kamen wir auf eine Anhöhe, von weitem sahen
wir schon unsere neue Heimat Sibirien!
Das Lager Vaene Gorodock!
Die Gegend war öde und unfreundlich. Man sah nur den nackten Boden, denn
wachsen konnte da nichts, es war zu kalt. Und war nur eine Sandwüste. Nun
kamen wir mit müden Schritten und hängenden Kopf in das Lager, wo
uns schon die anderen Gefangenen erwarteten. Fragten uns gleich, wo wir herkommen,
und waren erstaunt, als wir sagten aus Russland. Denn sie glaubten es sei schon
Friede, dass auch sie bald in die Heimat fahren könnten. Erzählten
wir ihnen, dass auch wir derselben Meinung waren. Wie wir aus dem Spital entlassen
wurden, glaubten wir auch, es geht der Heimat zu und wurden so enttäuscht.
Nun fragten wir sie, wie es ihnen im Lager geht.
Einige sagten schlecht, die anderen wieder die schon länger hier waren
und von zu Hause Nachricht und Geld hatten, wieder besser. Die waren schon getröstet.
Und von der großen Krankheit im Frühjahr erzählten sie. Die
Hälfte ist damals an Typhus gestorben. Täglich bis 30 Mann durch 2
Monate hindurch.
Es hat an Sanität gefehlt. Und sonst hat sich auch niemand gekümmert.
Sie waren dort die ersten Gefangenen und war das Lager nur mangelhaft hergerichtet.
Bauten bei unserem Hinkommen noch immer.
Es waren 5000 Gefangene dort und lag fast einer auf dem anderen. So machten
sie uns schon in der ersten Stunde das Leben schwer.
Nun wurden wir übernommen im Lager, und dann in den Bauten untergebracht.
Mein Kollege und ich trachteten, dass wir zusammenkommen, um uns gegenseitig
trösten zu können, damit es uns nicht gar so schwer fiel. Abends bekamen
wir die Menage. Kartoffelsuppe, aber wenig. Man hätte leicht die Portion
die für 10 gehörte, allein gegessen. Denn in Russland war der Brauch,
dass 10 Mann aus einer Schüssel essen mussten. Der keinen Löffel hatte
musste warten oder sich einen ausleihen. Durch diese Übelstände wurden
die Krankheiten so verbreitet und verschleppt.
Es waren verschiedene Krankheiten, von denen man in der Heimat nichts wusste.
Nun kam die Nacht, die erste im Lager. Die harte Pritsche, keinen Strohsack
und nichts zum Zudecken. Die Baracke eisig kalt. Denn es war ausgeputzt und
die Pritschen gewaschen. Die waren ganz eisig. Müde und ganz erschöpft
legten wir uns drauf.
Die Hose nahm ich als Strohsack, die Stiefel die ich vom Spital hatte und die
Kappe nahm ich als Kopfkissen. Die Bluse und den Zivilrock den ich hatte, war
meine Decke. So lagen fast alle. Nur die einen Mantel hatten, waren besser dran,
weil die mehr vor der Kälte geschützt waren. Vom Schlafen war ohnehin
keine Rede. Erstens durch die Kälte und zweitens durch das viele Studieren
und Elend.
So ging die Zeit dahin im Lager. Mein Kollege und ich trösteten uns immer.
Es kann doch nicht lange dauern, dass wir erlöst werden von dieser Pein.
So gingen die Monate dahin in der gleichen Eintönigkeit und es kam der
Oktober und der November.
Endlich bekam ich die erste Karte aus der Heimat, die mein Herz erfreute und
mich tröstete. Wenn man nach langer Zeit ein Lebenszeichen bekam. Antwortete
gleich drauf und schrieb um Geld und Wäsche und Rauchmaterial. Das ging
einem viel ab, wenn man rauchen konnte, war schon besser. Dass man den Hunger
und die Kälte leichter ertrug.
So verging der November und kam der Dezember. Da sagte man uns, es kommen Liebesgaben
aus der Heimat und eine Rot-Kreuz-Schwester, worüber wir uns sehr freuten.
Vor Weihnachten kamen die Liebesgaben. Jeder Mann eine Decke und zwei Mann zusammen
ein Paket mit folgendem Inhalt: Wäsche, ein Kamm und Seife, ein Halsschal,
Socken, Sacktuch, Essschale und Nähzeug, mit Nadeln, Zwirn und Knöpfen.
Und noch verschiedene Kleinigkeiten, die wir uns teilen mussten. Das war eine
Freude. Überhaupt an der Decke, dass man sich zudecken konnte beim Schlafen,
denn die Nächte waren sehr kalt. Bei Tag hatte es eine Kälte von 40
bis 50 Grad.
Nach der Verteilung hieß es, zu Weihnachten kommt eine Rotkreuz Schwester,
die uns auch was bringen wird.
Am Heiligen Abend kam sie wirklich. Hielt sich aber nicht lange auf, besuchte
uns nur. Brachte Grüße aus der Heimat und erkundigte sich wie es
uns geht. Dann verließ sie uns mit dem Versprechen nochmals zu kommen
und ging zu den Offizieren. War ihr eigener Sohn dabei, aber auch nur als Gefangener.
Der bekam viele Geschenke von ihr und auch Geld.
Für uns ließ sie für jeden Mann 25 Kopeken, Tee und ein wenig
Zucker, ein kleines Packerl Tabak und Streichhölzer da, wo wir auch zufrieden
waren, denn uns tat es sehr not. Schade, dass wir es erst nach den Feiertagen
erhielten.
Nun kam
unser erstes Weihnachtsfest in der Gefangenschaft 1915
Die Geld hatten, zahlten zusammen, dass wir doch auch eine Freude hatten fern
der Heimat und der Lieben.
Kauften einen Christbaum. Mein Kollege und ich konnten auch nichts beisteuern.
Wir konnten uns nicht einmal eine Karte kaufen um den Angehörigen zu schreiben.
Denn das Geld von der Schwester hatten wir noch nicht. Nur die, die im Sommer
arbeiten konnten, hatten ein wenig Geld. Der Christbaum wurde aufgestellt. Etliche
Kerzlein drauf und wurden angezündet. Hofften auf die Schwester, weil sie
uns versprochen hatte. Ließ uns aber dann sagen, dass sie nicht kommen
kann. Wird ihr wahrscheinlich bei den Offizieren besser gefallen haben als in
unseren Baracken. Denn die hatten eine schöne Löhnung. Konnten gut
leben. Konnten jeden Tag Braten und Schinken essen. Und feine Bäckereien
und Bier konnten sie trinken, was sie wollten. Hatten im Monat 50 Rubel. 30
brauchten sie zum Leben. Die anderen konnten sie verlungern. Die hatten dort
mehr, als sie sich in der Heimat hätten leisten können. Brauchten
sich nichts versagen, in keiner Weise. Mehr möchte ich nicht schildern
über diese Verhältnisse. Jedenfalls hatten sie ein schöneres
Weihnachtsfest als wir armen Häuter.
So feierten wir alleine den Heiligen Abend.
Mehrere Wiener Kollegen hielten Ansprachen, dauerte eine Stunde. Zum Schlusse
sangen wir mitsammen ein Weihnachtslied. Es waren uns 300 Mann beisammen in
der Baracke und standen um den Christbaum herum.
Jedem standen die heißen Tränen in den Augen, rannen uns über
die Wangen, dachte doch jeder in dieser Stunde mehr als je an seine Lieben in
der Heimat.
Ein Gefühl der gänzlichen Verlassenheit beschlich jeden und die ausgestandenen
Leiden und Drangsalierungen und die in Dunkel gehüllte Zukunft, stand vor
unserem geistigen Auge. Bewegten Herzens dankten wir für die Ansprachen.
Dieses unser erstes Weihnachtsfest, das wir in der Fremde feierten, wird wohl
keiner der Gefangenen vergessen.
Einige Künstler die bei uns waren, machten einige Vorträge und Kunststücke,
um unsere schweren Köpfe aufzufrischen. Es war für uns das Beste,
dass solche unter uns waren, mit gutem Wiener Humor.
Sonst wäre es mit uns gefehlt gewesen. Wären noch mehr närrisch
geworden und draufgegangen.
Nun hofften wir, diese Weihnachten werden auch die letzten sein, denn wir werden
wirklich bald erlöst werden. Auch die Schwester versprach uns baldige Heimkehr,
und dass die Friedensverhandlungen bereits begonnen haben. Zu den Feiertagen
bekommen wir auch Menageaufbesserung. Wieder einmal nach langer Zeit ein heimatliches
Essen zu bekommen, wie das schmeckt, das muss selbst erlebt werden.
Am ersten Tag gabs Nudelsuppe und Rindfleisch, den nächsten Tag gabs Gulasch.
Da waren wir schon glücklich.
Gingen wieder die Tage dahin.
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