Am 15. Jänner 1915, bei großer Kälte mussten wir fort. Schwer trennte ich mich von meinen Lieben. Ich musste mich mit dem Gedanken trösten, bald alle wieder zu sehen. Wir rückten nach St. Pölten ein und hatten eine 3tägige Untersuchung vor uns. Ich ließ mir recht Zeit. Ich glaubte, sie könnten genug zusammenbringen, dass ich übrig bleibe. Ich wurde zum Infanterieregiment 49 eingeteilt. Über Nacht wurden wir in eine Schule eingesperrt und bewacht. Dann ging es mit der Bahn nach Wien. Dort wurden wir von einer Patrouille übernommen und zum Kommando, welches sich tief im 19. Bezirk befand, gebracht. Wir wurden in eine Fabrik gebracht und mussten auf unseren Koffern sitzend übernachten. Es lagen mehrere auf dem Boden und erwachten bei unserem Kommen. Ich traf unverhofft einen guten Kollegen aus meinem Heimatdörfl, den Gerstl Franz aus Ritzenberg. Er kam wegen eines Leidens zurück von der Front und fuhr in die Heimat. Groß war unsere Freude und die Nacht verging sehr rasch. Morgens, um 7 Uhr gab es schon die Vergatterung der Rekruten. Und nun ging das richtige Soldatenleben an. Anfangs rückten wir mit unserem Gewand aus, dann bekamen wir eine Montur. Sie war ganz durchlöchert, dass wir uns in unserer Flickkunst üben konnten. Die Abrichtung war auch nicht angenehm, da man mit den Gedanken immer wo anders war. 3 Wochen gingen so dahin. Dann kam der Befehl. 700 Mann mussten zum gerlitzischen Infanterieregiment Nr. 80 nach Knittelfeld in die Steiermark. Auch mich traf es und mussten anderen Tages gleich fort. Es war mir nicht leicht, dass ich von einem deutschen zu einem polnischen Regiment musste. Das eine Gute war, dass wieder ein Bekannter zu mir kam. 2 Nachbarn von mir und ein unbekannter Kollege aus meiner Heimat. Wir waren in einem Zug und blieben auch. Von Ende Jänner bis März blieben wir dort und wurden wieder frisch ausgebildet. Die Menage war sehr schlecht, sodass man glaubte verzweifeln zu müssen. Die von zu Hause nichts bekommen haben waren ganz verlassen. Da war es unsere Pflicht, mit den anderen das Wenige zu teilen, dass uns das Leben nicht ganz verdross. So verbrachten wir das Leben wie Baraber. Die Nächte verbrachten wir auf Strohsäcken auf dem Boden liegend. Zum Reinigen war keine Zeit, bei lauter Übungen und Ausrücken bei großer Kälte, bei Eis und Schnee. Das dauerte bis zum 15. März. Dann mussten wir schwören, was einen halben Tag dauerte. Es wurde in 5 Sprachen geschwört, weil so viele Nationen beisammen waren. Dann marschierten wir in voller Rüstung nach Sergendorf, ein Stück weg von Knittelfeld, wo wir einquartiert wurden. Wir hatten keinen Dienst mehr. Wir mussten immer marschbereit zum Abmarsch an die Front sein.
Am 17. gingen wir zu Beichte und zur Kommunion. Urlaub gab es bei diesem Regiment keinen. Und so mussten wir am 18., ohne unsere Lieben zu sehen, an die Front.
Ein Paket mit Lebensmittel und Geld, das ich sehr notwendig brauchen konnte, erwischte mich noch im letzten Augenblick. Das war eine Freude.
Mit Gesang und Musik zogen wir durch die mit Menschen überfüllten Straßen zum Bahnhof.
Mit Blumenschmuck am Gewehr und Kragen, begeistert durch die Zurufe der Landbevölkerung ging es fort unserem Elend entgegen. Wir fuhren am Abend über Leoben, über den Semmering nach Wien-Nordbahnhof. Dort gab es Menage und wurden von den Einwohnern beschenkt. Vom Roten Kreuz bekamen wir Kaffee, was uns Freude machte.
Nun ging es wieder fort über Deutsch-Wagram, Strasshof, nach Gänserndorf, Angern, Stillfried (50 km von Wien). Rabensburg, Bernhartstal, Ludenburg, über Mähren, Pitschk, Pärlewitz, Ungarisch Buditsch, Martinsberg, nach Mährisch Ostrau.
Wir kamen dort am 21. um 6 Uhr früh an und bekamen schwarzen Kaffee. Dann ging es wieder weiter nach Odenburg in Schlesien, war eine schöne Industriestadt, auch Ditmansdorf. Dann kamen die Ortschaften Bernwitz, Seibersdorf, Poschna, Sitzbi, Deinditz, 340 km von Wien. Dann Karlewik, 357 km. Kraszorwitze, 387 km. Nach Krakau, 411km.
Dann wurde schon immer geredet, dass unsere Fahrt bald zu Ende sein wird und wir unserer Bestimmung übergeben werden. In Bwesko verließen wir um 21 Uhr die Bahn und marschierten noch nachts dem Feind zu. Eiskalt überlief es uns, wenn wir daran dachten, dass es bald ernst wird. Wir marschierten 2 Tage bei sehr schlechtem Wetter. So viel Morast, dass man fast stecken blieb, und dazu die 40 kg schwere Rüstung. Die Menage war sehr schlecht, es gab kaum was zu essen. In Gromnik blieben wir vom 24. März bis 3. April.
Meine ersten Ostern im Weltkrieg!
Karsamstag abends um 4 Uhr, gingen wir noch in die Stellung. Kot war bis an die Knöchel, dass man kaum noch gehen konnte. Unser Unterstand war eine Grashütte mit Reisig bedeckt, wo Regen und Schnee durchfiel und wir uns mit Hilfe von Zeltplachen ein wenig ausrüsten konnten. Tagsüber waren wir immer beschäftigt. Gewehrputzen, dann war wieder Visite, dann hieß es wieder ausrücken und Übungen machen. So wurde man abdressiert sodass man fast verzweifelte und sich am liebsten selbst das Leben nehmen wollte. Das war unsere erste Osterstimmung im Weltkrieg.
Ostermontag marschierten wir wieder ab nach Gworozieli. Bei strömendem Regen mussten wir samt unserer Maschinengewehrabteilung durch einen stockfinsteren Wald. Wir versanken fast und mussten jeder Mann einzeln durchgehen und war kein Leichtes am Ende des Waldes das zerrissene Bataillon wieder in Ordnung zu bringen.
Wir marschierten wieder weiter ohne zu rasten oder zu schlafen. Wer Geld hatte, kaufte sich was zum Essen, die anderen mussten so vorlieb nehmen. So verging Ostern und nur "vorwärts" hieß der Ruf, ein Zurück gab es nicht mehr. Dann kamen wir in eine Stadt, da hieß es Rasttag und Kirchgang. Um auch etwas von Ostern zu wissen. So kauften wir 3 "Kassern" die wir beisammen waren, von einem polnischen Juden 1 Liter Wein, der 3 Kronen kostete. Er war aber so schlecht, kaum zu trinken. So verging der Tag, am Abend hieß es wieder Rüstung umschnallen, dann gings dem Schützengraben zu.
Marschierten die ganze Nacht, war wohl jeder verzagt. Aber man konnte nichts machen, man musste geduldig mit und wenn man auch die Füße verloren hätte. Um 3 Uhr in der Früh kamen wir im Schützengraben am Flusse Donanitz an. Wir mussten ein anderes Bataillon ablösen, welches zur Impfung in die Stadt zurück musste. Unter fortwährender Schießereien vergingen 2 Tage. Die Russen wollten immer durchbrechen bis zum Fluss. Es gab auch einige Verwundete. Wir hielten die Stellung bis 12 Uhr nachts. Dann hieß es wieder rüsten und bereit sein zum Abmarsch. Ohne sich auszurasten marschierten wir bis Okszgen, dann nach Woskowitze, da wurden wir einquartiert, in einer Schule neben einer schönen Kirche. Die Schule war ganz schön, aber die Liegestatt schlecht. Auf dem Boden liegend, lag einer fast auf dem Anderen. So verbrachten wir 14 Tage und mussten immer in Bereitschaft sein und durften uns in den Straßen nicht zeigen. Es war ohnehin nicht viel zu sehen. Die Bewohner waren alle ausquartiert. Schaufenster und Auslagen waren alle eingeschlagen. Auch die Posten waren in den Geschäften untergebracht. Sie schauten mit den Köpfen aus den Auslagenfenstern. Alles war besetzt vom Militär. Wir verbrachten unsere Zeit mit Exerzieren, was wir hinter der Schule machen mussten. Von wo uns oft die einfallenden Granaten vertrieben, dass wir uns verstecken mussten. Auch die Kirche war durchgebombt von Granaten. Im Dunkeln durfte kein Licht gemacht werden, damit die Schule nicht in Brand gesteckt wurde. Was an Zeit übrig blieb, hieß es putzen und flicken. So vergingen 14 Tage. Dann hieß es wieder packen und rüsten. Zeitlich in der Früh mussten wir fort. Da es hieß, der Russe will durchbrechen. Und marschierten bei Regen und Kälte, auch Überschwemmung war, dass wir halbmannshoch im Wasser standen, über Felder und Wiesen und kamen mit Mühe und Gefahren neben der Stellung an. Dort wurden wir tropfend von Nässe untergebracht. Wir schmiegten uns eng aneinander um uns zu wärmen. So verging die Nacht und 1 Tag. Dann ging es zugsweise in die Stellung zur Verstärkung, dass der Russe nicht durchbrechen konnte.
Die Kugeln schwirrten durcheinander, es war keine Ruhe, dazu quälte uns der Hunger, denn die Menage war wenig und schlecht. In unserer Nähe waren Erdäpfel eingegraben, der Hunger ließ uns die Kugeln und die Gefahr vergessen, und liefen hin, obwohl unser Leben am Spiel stand. Es glückte uns doch. Kochten sie im Wald, wo wir wieder achten mussten, dass die Russen durch den Rauch nicht angelockt wurden. So verging ein Tag um den anderen. Gräber waren auch dort im Wald von unseren Kollegen, die wir wieder auffrischten und schmückten. So verging die Zeit bis 27. April.
Da hieß es wieder rüsten und marschierten zurück in die Stadt, wo wir vorher waren. Dann kamen wir zurück durch einen Ort, von wo uns der Russe mit Artillerie beschoss, und wo wir mit voller Rüstung im Laufschritt durchmussten, wobei einige Kameraden verwundet wurden. Die Häuschen, wo wir einquartiert waren, wurden auch vom Feind in Brand gesteckt. So verging wieder ein Tag. Und bei Nacht mussten wir auf einen hohen Berg marschieren und noch dazu 100 kg schwere Munitionskisten mit hinaufschleppen. Wenn man bedenkt, was das heißt, volle Rüstung, solche Kisten, und ganz matt und erschöpft, ist keine Kleinigkeit. Endlich kamen wir in den Schützengraben.
Wurden gleich eingeteilt, jeder in seine Stellung, wo man auf Posten stand. Ich kam zu einem Schießloch, wo ich gedeckt auf dem Bauch liegen musste und auf den Feind aufpassen. Wäre fast angefroren während der 2 Stunden, bis ich abgelöst wurde.
So kam der 30. April!
Da kam der Befehl, der gegenüberliegende Berg musste gestürmt werden. Als wir vorgingen und der Feind bemerkte dass wir einen Angriff machen wollten, zündete er die Häuser an, dass er sehen konnte, was wir vorhatten. Wir konnten nicht stürmen, so kam der Befehl "nicht weiter", sonst geht das ganze Regiment drauf. Soll sich jeder eingraben, wo er steht und auf Weiteres warten. Um Mitternacht grub jeder was er konnte, um sich zu schützen. Als es dämmerte, bemerkte der Russe, dass bei uns etwas los sein musste und ließ seine Artillerie auf unsere Anhöhe schießen. Wir verkrochen uns so gut wie es möglich war in unseren Löchern. Um so stärker wurde die Schießerei. Etwa 20 Schritte hinter uns fielen die Schüsse ein. Wir konnten nichts machen als uns verkriechen so gut es ging. Unsere Artillerie fing auch an zu schießen. Da ging ein Trommelfeuer los. Erde flog herein in die Schützengräben, als würde es jemand hereinschaufeln. Schon ganz gehörlos waren wir, von den Schüssen und dachten es kommt unser letztes Stündlein. Alles war schon ganz dunkel vor unseren Augen, vor lauter Rauch. Und wir konnten nichts machen, mussten zuschauen.
Das war der Anfang. 1. Mai! Zum Vormarsch zum Durchbruch bei Gorlice!
Um 12 Uhr mittags kam der Befehl, um 2 Uhr wird gestürmt. Die Schießerei hörte auf und wir richteten uns zusammen. Punkt 2 Uhr hieß es "auf zum Sturm". Wie die Russen sahen, dass wir aus den Schützengraben gehen, ging die Schießerei erst recht los. Konnten nur sprungweise vorgehen. Mehr als 10 Schritte konnte man nicht machen. Musste man sich wieder mit den Spaten eine Deckung machen. So gingen wir vor bis in das Dorf, das am Vortag von den Russen angezündet wurde. Dort sammelten wir uns hinter den Häusern, bis alle beisammen waren, bis auf jene die tot oder verwundet waren. Dann hieß es vor zum Stürmen. Nun ging es mit "Feuer" den Berg hinauf. Dann war noch ein Fluss inzwischen, wo wir hinüber mussten. Die Russen schossen noch immer. Nachdem der Fluss durchgewatet war, wobei uns das Wasser bis an die Brust reichte, ging es wieder mit "Feuer" den Berg hinauf. Die Russen schossen immer weniger, und als wir hinaufkamen, sah und hörte man nichts mehr. Sie machten Rückzug, nur die Toten und verwundeten ließen sie zurück. So war es für uns leicht, den Berg zu stürmen.
Wir mussten uns in Schwarmlinie auflösen. Feldwachen wurden aufgestellt, wobei wir bei scharfem Wind in unserer nassen Kleidung auf dem Bauch liegen mussten. So verging die Nach unter Frieren und Schütteln am ganzen Körper. Bei anbrechendem Morgen hieß es wieder weiter ohne zu rasten oder schlafen immer näher dem Feind zu. Bei einem Walde hieß es, da werden die Russen bald sein. Und richtig stoßen unsere Vorpatrouillen bald auf dieselben. Da ging die Schießerei los mit dem Gewehr und mit den Maschinengewehren. Das dauerte eine Stunde dann wurde mit beidseitigen Verlusten gestürmt. 300 ließen sich fangen. Die anderen traten den Rückzug an. Hätten wir am ersten Tag früher gestürmt, hätten wir eine Partie Artillerie auch erwischt welche die Russen stehen ließen und mit den Pferden davonritten. Während wir stürmten, holten sie dieselben. Wir sahen es zu spät. Obwohl wir mit den Gewehren nachschossen, kamen sie glücklich durch damit. Die 300 Russen wurden entwaffnet und zurückgeführt. Wir aber gingen immer weiter, trotz aller Mattigkeit und Müdigkeit. Das Essen war sehr wenig. Bei einem Vormarsch sieht man die Küche nur alle 3 bis 4 Tage. So ging es fort, Tag und Nacht. Durch Dörfer, die immer durchsucht wurden, ob kein Feind versteckt oder ob kein Verrat verübt wurde. Denn es kam vor, dass durch ganz kleine Bemerkungen Verrat verübt wurde. Entweder durch einen unterirdischen Telefon, oder sie trieben ein Stück Vieh über die Felder, oder es fing eine Windmühle zu laufen an, wobei sich der Feind auskannte, und seine Artillerie zu schießen begann. Durch solches gingen manche Regimenter drauf, die in Kolonnen marschierten und nicht gefasst waren, und sich auch nicht schützen konnten. So kamen wir in die Stadt Duschow.
Wir kamen um eine Stunde zu spät, sonst hätten wir 3 russische Fahnen erwischt, deren Regimenter aufgerieben und gefangen waren. Sie wurden von einigen überlebenden Russen in Sicherheit gebracht. Wir durchsuchten die Stadt und fanden unter verlassenen Häusern auch Lebensmittelmagazine. Wir stillten unseren Hunger, nahmen mit was wir konnten und verließen die Stadt.
Und fort ging es wieder mit Sack und Pack über Berg und Tal. Mussten durch Flüsse wo wir stellenweise bis zum Hals waten mussten.
So kam der 7. Mai.
Kamen auf eine Höhe neben dem Walde, wo wir die Russen aus ihren Stellungen vertrieben hatten, welche den Rückzug antraten. Nur die Kosaken machten einen Sturmangriff, wobei wir wieder Verluste hatten. Auch 2 Freunde von mir wurden schon verwundet. Sie kamen zurück zum Verbandplatz und ins Spital. Der eine davon, Kirschner Franz aus Texing, starb bald an seinen Verwundungen und der andere, Prankl Leopold aus Wagram bei St. Pölten, wurde ziemlich ausgeheilt und dann als Schwerinvalide in die Heimat entlassen. Ein dritter Freund von mir, Salzer Josef aus Texing, ging mit den beiden zurück auf den Verbandplatz. Er übergab sie dort und wollte uns dann wieder nachfolgen. Wir aber hatten eine andere Richtung eingeschlagen. Er verfehlte uns und lief den Russen in die Hände. So verlor ich an einem Tag drei meiner liebsten Freunde. Einer meiner Arbeitskollegen aus der Heimat blieb noch übrig. Wir schlossen uns zusammen und marschierten wieder weiter und sagten uns, lang wird es bei uns auch nicht mehr dauern. Tun wir halt mit ,solange es geht. So gings Tag und
Nacht, ohne zu schlafen. Voll Hunger und Mattigkeit.
So kam der 9. Mai!
Wir stießen wieder auf die Russen und es war wieder starkes Feuer. Der Russe ging wieder aus seiner Stellung und trat den Rückzug an. Wir gingen wieder vorwärts. Unterdessen bekam ich durch das unregelmäßige Essen und den Entbehrungen die Ruhr. Ging vom Marsch zur Marschvisite und dachte mir, vielleicht gelingt es mir doch, dass ich zurückkomme ins Spital um mich auszukurieren und auszurasten. Aber ich hoffte umsonst. Der Arzt gab mir Pulver und sagte, ich solle langsam hinter der Kompanie nachgehen. Aber das wollte keiner. Keiner wollte von seinen Kameraden getrennt sein. Der Arzt sagte, ein Zurück gibt es nicht nur ein Vorwärts. Not bringt Eifer, so versuchte ich, weil die Pulver auch nicht halfen, den Absud von unserem Konservenkaffee. Marschierte ich in meinem Zustand mit, das Blut rann mir durch die Hose, und ging nicht weg, dachte mir entweder leben oder sterben, ich tu mit, solange, es geht. Nahm fleißig den Kaffe und heilte mich so ziemlich aus.
So kam der 10. Mai!
Wir trafen wieder auf russische Schwarmlinien und so kam es wieder zu einem großen Gefecht, welches 4 Stunden dauerte. Dann gingen wir vor, mussten einen Fluss durchwaten, bis an den Hals standen wir im Wasser, da es doch viel regnete in dieser Zeit. Dann gings den Berg hinauf, wo wir wieder beschossen wurden und oben angelangt ging der Feind aus seiner Stellung und sammelte sich unter dem Berg um uns zu stürmen. Wir bemerkten seine Absicht und gingen in schnellster Linie vor, um die Russen gefangen zu nehmen. Wie wir auf 100 Schritte bei ihnen waren, bemerkte der Hauptmann die große Anzahl der feindlichen Soldaten und rief "nicht mehr weiter, sonst sind wir alle verloren". Wir wollten nicht hören und liefen noch 50 Schritte. Da kam uns der ganze Rudel entgegen und wir schossen unser 80 Mann gleich stehend zurück. Der Feind schoss was er konnte. Neben mir sank ein Kamerad, durchs Herz getroffen, zusammen. Ich riss ihm gleich die Kleidung auseinander, um ihm trotz des fürchterlichen Kugelhagels zu verbinden, aber er war schon tot. Dann mussten wir mit "Feuer" den Sturm auf die Russen, die noch in den Schluchten standen, fortsetzten. Sie warfen ihre Gewehre weg und gaben die Hände hoch. Sie waren so erschreckt über unseren Angriff. Sie glaubten wir seinen ein ganzes Bataillon, dabei waren wir nur 80 Mann. Wir nahmen sie gefangen. Es waren 800 Mann. Wir gingen mit ihnen zurück zu den unseren. Und dann noch über einen Berg, dass wir besser geschützt waren, denn wir wurden immer beschossen. Dann wurden die Gefangenen aufgestellt. 4 und 4 wurden eingeteilt. Dann wurden von uns 12 Mann ausgesucht, wo ich auch dabei war, um sie zum Kommando zu bringen. Ein Zugsführer ging mit, der alles über hatte. Ich hatte 6 Russen, über die Maschinengewehre hingen, die gingen ganz zum Schluss. Die waren ganz unwillig über die Last. Wäre fast notwendig gewesen, ich hätte sie selber getragen.
Als ich hörte, dass ich mitmusste freute ich mich. Wir marschierten von vormittags bis 1 Uhr nachts. Wir, mit voller Rüstung, 40 kg, und mit leerem Magen. Wir machten öfter Rast und da hatten mir die Russen meine Reserve, Zwieback, schon abgebettelt. Die hatten Speck bei sich und schwarzes Brot, wovon sie mir gaben und ich meinen Hunger stillte. Nach der Übergabe bei der Nacht bekamen wir schwarzen Kaffee, worüber wir froh waren, einmal was Warmes zu bekommen. Dann mussten wir in den Häusern ein Lager suchen. Dies dauerte eine Weile, bis wir eine Unterkunft fanden. Vom Schlafen war keine Rede mehr. Frühzeitig mussten wir wieder heraus. Zum Anziehen gab es nichts, da wir sowieso mit den Kleidern schliefen. Und zum Kochen gab es auch nichts, da wir nur das hatten, was wir bettelten. So machten wir uns auf den Rückmarsch zur Kompanie. Tag und Nacht mussten wir marschieren, dass wir wieder zu unseren Kameraden kamen. Und anstatt etwas zu essen, war das erste, ein Verweis vom Hauptmann, wo wir solange waren. Wo doch die Kompanie immer vorwärts ging, wo kam die schon hin, während wir mit den Russen zurückmarschierten. Und dann der weite Rückweg, bis wir sie wieder einholten. Als Belohnung für den Fang der Russen kam der Befehl, dass alle 80 Mann Belobung haben. Die Chargen wurden befördert und bekamen eine Medaille. Und die Chargenstellvertreter wurden ebenfalls befördert, wo auch ich Gefreiter wurde. Die andern mussten mit der Belobung zufrieden sein.
So vergingen die Tage und wir kamen immer näher zur Grenze, immer weiter entfernt von der Heimat, wo wir schon traurigen Herzens daran dachten, unsere Lieben nicht mehr zu sehen. Und die Strapazen die man mitmachte, den Hunger den man litt, die Kälte die man ausstand.
Unglaublich was der Mensch alles aushalten kann. Die Pferde fielen um, eins ums andere. Die hielten nicht soviel aus. Immer weiter ging es, nur "vorwärts" hieß es, entweder leben oder sterben.
So kommt der 11. Mai!
Da kamen wir in der Nacht wieder an. Wir mussten uns mit Sack und Pack ein Nachtlager suchen. Ein Ausziehen gab es nicht, da wir immer bereit sein mussten, und auch vor den Überfällen der Kosaken nicht sicher waren.
Als Menage bekamen wir Suppe, ein Stücklein Fleisch und schwarzen Kaffee. Was aber nur unseren Appetit reizte. Hunger hatten wir für zehn. Die Nacht verging. Früh wurde gefragt wer krank ist, obwohl wir schon alle spitalsbedürftig waren. Ganz trostlos und verlassen fühlten wir uns schon. Nur hie und da kam die Feldpost und jede Zeile war erfrischend für unser trauriges Gemüt. Aber so manche Karte war für Kameraden dabei, die ihren Lieben nicht mehr antworten konnten. Die hatten schon ausgelitten und waren von uns in die kühle Erde gesenkt worden. Ja so manche Angehörigen wissen heute noch nicht wo ihr Gatte, Sohn, oder Bruder hingekommen ist. Mussten oft elendig zugrundegehen und wir konnten nicht helfen, obwohl wir taten was möglich war.
Kam der 16. Mai!
Marschierten wieder den ganzen Tag und bei der Nacht kamen wir, es war ein ganzes Bataillon, die Maschingewehrabteilung und andere Truppen, zum Flusse San, wo wir auf unser Fuhrwerk warten mussten, die die Bontons führten zum Überschiffen. Indem wir wegen des schlechten Weges der zwischen 2 Sümpfen lag und wir durch eine Au mussten, schwer vorwärts konnten, kamen erst um Mitternacht an. Beim Fahren machten die Eisenbontons großes Scheppern, dass man sie schon weit hörte. Auch die Russen über dem San hörten es und merkten unsere Absicht. Bei der Entladung der Wagen gab es wieder Lärm. Dann wurde gleich ein Bonton ins Wasser gelassen, mit 10 Mann und 1 Führer. Kamen bis an die Mitte des Flusses, dort wurden sie von den Russen beschossen und versanken. Nun wurde der 2. ins Wasser gelassen, mit anderer Mannschaft. Kamen ans darübere Ufer und wurden dort beschossen. Nun waren auch die tot. Als der Feind sah, dass wir nicht aufgeben wollten, schoss er mit Gewehren, Maschinengewehren und Artillerie fürchterlich auf uns. Die Gewehre hätten uns nichts gemacht, da wir trotz großer Verluste hinüber kamen. Als aber die Artillerie anfing zu schießen, und in die Au hereinschoss, wo wir waren, da wurden viele erschlagen von den zerschossenen Bäumen. Da ging es drunter und drüber, es war ein Durcheinander und ein Geschrei bis es hell wurde. Morgen früh fingen die Truppen an zu laufen, alles rückwärts hinter die Au. Alles lief durcheinander um sich zu retten. Wer den Weg übersah auf dem wir kamen, der kam in den Sumpf. Was auch mich traf. Sah gar nicht so gefährlich aus und dachte mir es wird schon gehen, dass ich durchkomme. Ich machte ein paar Schritte und sank gleich bis zum Bauch im Sumpf ein. Die Bemühungen herauszukommen, gab ich gleich auf um nicht weiter zu versinken. Blieb stehen, umkreist von den Kugeln des Feindes und dachte mir, in dem ich die herumliegenden Kameraden und Pferde betrachtete, so wird's halt mir auch gehen, muss halt auch elendig zugrundegehen.
Es war der 17. Mai!
Es war 8 Uhr morgens, da lief einer von der Maschinengewehrabteilung vorbei neben dem Fluss um sich von den Feinde zu retten. Ich rief ihm zu, er solle mir helfen, er wollte nicht hören, da rief ich nochmals "so hilf mir doch", "auf diesen Augenblick wird es dir doch nicht ankommen". Da erbarmte er sich und ich hielt ihm das Gewehr hin. Er zog mich heraus. Dann ging ich im Kugelregen des Feindes neben dem Fluss meinem Zug nach, bis ich zu dem Weg der hinüberführte, wo unsere Kameraden waren, die noch herausgekommen waren, aus diesem fürchterlichen Blutbade. Als ich sie einholte, traf ich noch meinen Arbeitskollegen aus der Heimat, der einen Streifschuss an der Hand hatte. Der sagte, ich habe schon meinen Teil und ging zurück auf den Verbandplatz. Er muss aber später gefallen sein. In der Heimat traf ich ihn nicht mehr. So verlor ich meinen letzten Kollegen. Und ich dachte mir, wird halt dich auch bald treffen. Wir gruben uns ein, wo wir im Dreck und Wasser liegen mussten. So verging der Tag und als die Nacht kam hieß es wieder, wir müssen probieren über den San zu kommen. Sonst verstärkt sich der Feind und es geht immer schlechter. Also probierten wir wieder, aber ohne Erfolg. Es gingen wieder viele drauf. Dann kam der Befehl, es gelingt uns nicht. Wir sollen uns hier gleich am San, hinter der ersten Stellung eingraben und sollen weitere Befehle abwarten. Nun grub jeder was er konnte, um einen Schützengraben zustande zu bringen, was bei der finsteren Nacht und mit unserem kleinen Spaten kein Leichtes war.
So kam der 18. Mai!
Wir gruben den ganzen Tag fort. Ging kaum mehr, da uns der Hunger so peinigte. Aber wir mussten graben. Da gab es kein Erbarmen. Zum Glück war die Au voller Krähennester und wir holten uns die jungen Krähen unter Lebensgefahr herunter, da der Feind immer herüberschoss. Es waren vielleicht bei hundert Krähennester in der Au. Das war ein Geschrei und ein Gekräze, aber durch unseren Hunger versuchten wir alles. In 2 Tagen war alles aufgegessen, denn der Hunger tat weh. Da wurde die Haut heruntergerissen, in die Menageschale hinein und gekocht. Als der Feind merkte, dass wir Feuer haben und kochten, schoss er fleißig herüber. Und so manchen Kameraden wurde der Hunger für immer gestillt.
So verblieben wir in Reserve bis 30 Mai!
Ruhe hatten wir auch keine während dieser Zeit. Mussten wir die Deckungen verschönern, hie und da kleine Übungen machen, dann wieder Montur reinigen, überhaupt alles was wir hatten bedurfte einer Reinigung. Bei Nacht hieß es immer in Bereitschaft stehen, mit Sack und Pack, da wir oft Alarm hatten, wo es immer hieß, der Russe möchte durchbrechen. So vergingen die Nächte, immer das Gleiche. Einmal des Tages bekamen wir Menage, was aber schon lauter Wasser war. Da die Küche weit zu fahren hatte, war das Essen bereits schlecht.
Dann hieß es wieder Brot fassen gehen, was wir in der Kappe trugen, weil es lauter Brösel waren und die nicht viel.
Auch etliche Zigaretten bekamen wir.
Die Hauptsache war die Feldpost, wenn die nachkam, mit Karten oder kleinen Paketen, wo auch für mich immer was dabei war. Das einem das Leben doch wieder ein wenig freute.
Dann musste man mit Gewehr und Bajonett wieder spionieren gehen, um den Feind zu beobachten. Dann hieß es zurück zum Train um die Offiziersfassung, auch bei Nacht mit Gewehr und Bajonett, im Kugelhagel. Denn der Feind hatte immer den Brauch, auch während der Nacht fest zu schießen. Ich ging deshalb gerne zur Fassung, da man hie und da von den Köchen etwas bekam, auch vom Proviantoffizier, und da vergisst man leichter die Gefahr, wenn einem der Hunger zwingt dazu. So ging ich auch einmal den 2stunden weiten Weg ausgerüstet zurück zum Train. Kam dort an und bekam vom Koch Kaffee und einen halben Stritzel Brot. Einen halben bekam ich zu kaufen. Dann besorgte ich die Fassung der Offiziere. Nach 11 Uhr ging ich wieder weg vom Train, zurück zu den Kameraden. Dachte mir, sie werden wieder Alarm geben in der Stellung und ging fort in der Dunkelheit, hörte nichts als Schießereien. Kam zu Patrouillen oder es hielt mich die Feldwache an und so kam ich immer näher der Stellung. Konnte aber nicht so schnell gehen wie ich wollte, da immer mehr Kugeln um mich umherschossen. Musste mich decken und schützen so gut ich konnte. Waren hie und da alte Schützenlocher und Löcher von Granaten, wo ich mich versteckte. Und musste auch trachten, endlich in die Stellung zu kommen. Als ich dort ankam, übergab ich die Fassung dem Kompaniekommandanten. Ging zurück zur Deckung, war niemand zu sehen. Dachte mir gleich, dass hier was los sei. Suchte meinen Tornister. Er war leer, wusste aber nicht warum. Da suchte ich meine Kameraden, die mich groß anschauten als ich ihnen sagte warum ich so schau. Sagten sie, sie glaubten, dass ich bei dem großen Angriff umgekommen sei. Und da ein Gefecht voraussichtig war, teilten sie meine Sachen unter sich auf, damit dem Feind nichts in die Hände fällt. Sie gaben mir alles zurück.
Da dachte ich mir, wie gefährlich mein Rückzug war, aber ich dachte mir, dass ich schon so oft im Kugelhagel war, wird doch nicht diesmal ein Unglück passieren. Wenn man öfter im Kugelregen ist, hat man nicht mehr soviel Angst. Einmal beim sprungwärts Vorgehen flog mir eine Kugel vor den Kopf, streifte mich am Arm und ging in den Rucksack hinein, wo sie mir alles zerrissen hatte. Auch mein Reservepäcklein, worin ich Zwieback und Kaffee hatte. Ich fand die Kugel und brachte sie in Aufbewahrung. Solche Fälle hatte ich öfter und kam immer glücklich davon.
Des Hauptmann Plan war es immer, wir müssen über den San kommen, und befahl immer, wir sollen mit der Reserve sparen so gut wir konnten, denn wenn wir Glück haben und hinüber kommen, so kann es möglich sein, dass wir eine Woche nichts zu essen bekommen. Und habe so immer gespart, ich wäre auch solange durchgekommen. Und da hatten meine Kameraden recht, als sie alles aufteilten. Wäre ich wirklich nicht mehr gekommen und sie wären alle über den San gegangen, wäre alles verloren gewesen. Es waren 4 Stück Gulaschkonserven, ziemlich Kaffee und Zwieback und von den Packerln, die ich von der Heimat geschickt bekam ( Packerl, was ins Feld ging, durfte nur 35 dkg haben) war noch ein wenig Fleisch und Bäckerei. Mit Rauchmaterial war ich auch versorgt.
Aber es kam ganz anders als wir dachten.
Es kam der 30. Mai!
Abends um 9 Uhr kam die Meldung, morgen um neun Uhr ist Lösung, die schon einen Monat stand. Sagten wir uns, da kommt wieder etwas. Denn meistens vor einem großen Gefecht war Lösung. Wir standen in der Nacht in Bereitschaft. Da gabs am linken Flügel eine große Schießerei. Und als es ein wenig grau wurde, wurde schon bekannt, dass der Russe am linken Flügel durchgebrochen war und das 30. Infanterieregiment aufgerieben war. Wer nicht tot oder in Gefangenschaft, hieß es vor in die Reserve. Und die Kommandanten riefen "mir nach" und es ging schon im Laufschritt dahin, dachte keiner mehr an die Lösung, sondern es geht um mehr. Nun liefen wir gedeckt fort im Schützengraben. Waren bald dort, wo das 30 Infanterieregiment war. Und die Russen auch nicht mehr weit weg davon. Zum Angriff war der Platz nicht günstig. Da war ein kleiner Berg der in den San führte. War ein kleiner Weg angelegt, wo man gedeckt gehen konnte. Wir gingen eine Weile so fort, wie uns der Russe bemerkte, fing er auch schon zu schießen an. Mussten wieder vom Weg hinaus in die Ebene, wo nicht weit weg ein Maierhof stand. Es war in der Nähe der Stadt Gradiska. Wir liefen im Laufschritt ca. 1000 Schritte bis zum Maierhof, um uns dort zu sammeln. Der Feind bemerkte es und schoss war er konnte. Wir wurden von den Kugeln ganz bestreut.
Als wir ankamen, fanden wir nur Mauern, weil alles ausgebrannt war. Die noch Überlebenden sammelten sich dort, dann mussten wir wieder weiterlaufen. Wieder so weit, war ein kleiner Berg neben dem Walde, dort hieß es wieder sammeln.
Als alle beisammen waren, hieß es in Schwarmlinie auflösen und vorgehen. Als wir vorgingen und auf eine Anhöhe kamen, wo uns der Feind schön bemerkte. So beschoss er uns mit Gewehr, Maschinengewehr und Artillerie. Da fing es erst an. Es wird 5 Uhr Früh gewesen sein am 1. Juni!
1 Juni! Mit diesem Tag begann meine traurigste Zeit im Weltkrieg.
Verwundet und gefangen!
Wir gingen immer sprungvorwärts vor. Wir waren ganz am linken Flügel, neben dem ersten Zug der 30 Kompanie, die ganz aufgerieben wurde. Wie wir so sprungvorwärts vorgingen, ging der Jammer der Verwundeten los. Es ging sehr langsam, weil mit der Artillerie so viel geschossen wurde. Auf jeden einzelnen Mann den sie bemerkten, schossen sie mit Schrapnell oder Granaten. Wir waren vielleicht 2 km weg von der russischen Schwarmlinie. Ca. 4 km weg war ein Dorf, wo die russische Artillerie versteckt lag. Da wir talab vorgingen, hatten sie eine schöne Schusslinie auf uns. Die beiderseitige Schießerei war furchtbar. Und es hieß immer "vorwärts" im größten Kugelhagel. Es hieß entweder leben oder sterben. Nun gingen wir langsam vor. Das Geschrei der Verwundeten war fürchterlich. Konnte keiner zurückgebracht werden. Konnte man nur einen Notverband machen und gedeckt liegen lassen. Bis am Abend, erst in der Dunkelheit konnten sie zurückgebracht werden. Wer's aushielt, war's recht, die anderen mussten elend zugrunde gehen. Sanität war keine zu sehen. Gegen Mittag fing auch unsere Artillerie zu schießen an, da sie erst von einer anderen Seite hergebracht werden musste. Wir waren ganz allein im Gefecht. Nachmittags kam der Befehl, die Reserve sei bereits hier. Nun gingen wir immer vor. Von dem Zug der neben uns war, war kein Mann mehr über. Alle gefallen. Nachmittags fing es noch zu regnen an, dass wir ausschauten wie die Schweindel.
Wie wir so vorgingen über die Felder, explodierte über uns ein Schrapnell. Meine 2 Nebenmänner traf es. Einen leicht auf dem Rücken, den anderen am Genick. Und in den Bauch, dass ihm der Kot vom Munde kam. War ein Korporal, ein guter Kamerad von mir, er hatte auch eine Tapferkeitsmedaille.
Ich verband alle zwei im Kugelregen, machte ihnen eine Deckung mit den Rucksäcken und aus etwas Erde, was ich mit dem Spaten zusammenschaufelte. Den es in den Rücken traf, der konnte noch reden. Den Korporal ging es schlecht mit seiner Verwundung. Nur das Eine sagte er, er wird bald sterben müssen. Ich sagte ihm, er wird schon wieder ausgeheilt und es wird alles wieder gut werden. Er bat mich, ich solle ihm alles abnehmen was er hatte und seinen Lieben nach Hause schicken. Ich brachte es nicht übers Herz und tröstete ihn so gut ich konnte. Er soll nur schön liegen bleiben, am Abend werden sie ihn schon zurückbringen ins Spital. Er wollte mich nicht weglassen, ich sollte bei ihm bleiben. Und ich konnte aber nicht, da ich Schwarmkommandant war und mit meinen Leuten wieder vorgehen musste. Es kam mir schwer an ihn zu verlassen, wo doch sein baldiges Ende voraussichtlich war. Mit Tränen nahmen wir Abschied, denn wir waren uns einander recht zugetan. Wünschte ihm zum Schluss alles Gut und ein Wiedersehen. Er wird wohl seine Heimat nicht mehr gesehen haben. Ich ging mit meinen Leuten immer vor, in allem Regen und Kot. Es verging der Tag und es kommt der Abend. Als wir auf Sturmweite vom Feind gewesen waren, kam der Befehl, nur schießen was jeder kann, bis die Reserve kommt. Die war aber noch weit weg. Schoß ein jeder was er konnte. Dachte mir schon, lang darfs nimmer dauern, der Befehl lautete, nur halten bis zum letzten Mann.
Der Feind bemerkte, dass bald Reserve nachkommen wird, indem unser Häuflein schon ganz klein war, da wir doch den ganzen Tag viele Verluste hatten. Er machte Sturm auf uns, was sollten wir paar Männer machen. Wir schossen was wir konnten.
Der Feind kam schon sehr nahe, ca. 30 Schritte war er weg.
Da traf mich eine Kugel in die Brust, dass mir das Blut sofort durch den Mund und durch die Nase kam. Wie ich fiel, hatte ich das Gewehr noch schussbereit in den Händen, sprangen 2 Russen auf mich zu, weil sie glaubten ich werde noch schießen. Der eine packte mich am Genick, der andere versetze mir einen Stich. Er hatte es wohl auf die Brust abgesehen, traf mich aber auf dem rechten Oberarm. So war ich wehrlos und gefangen.
Als wir gestürmt wurden, waren wir noch 30 Mann von der Kompanie. Wer nicht tot oder verwundet war, lief zurück zur Reserve. Die Verwundeten kamen in Gefangenschaft.
Die 2 die mich gefangen hatten, schleppten mich zum russischen Schützengraben. Ca. 30 Schritte davor ließen sie mich liegen, dürfte vermutlich kein Lebenszeichen mehr gegeben haben. Sie hielten mich wohl für verloren, denn das Blut quoll mir aus der Nase und aus dem Mund, was nur konnte.
So lag ich ohne Hilfe und Beistand die ganze Nacht. Zum Glück wusste ich nichts was um mich vorging. In der Früh als es grau wurde, kam mir langsam das Bewusstsein. Wie ich so auf dem Rücken lag, horchte ich was los ist. Hörte immer noch schießen, mit Gewehren und Artillerie. Ich kam immer mehr zu Bewusstsein, es wurde lichter und die Schießerei hörte ganz auf. Wollte mich erheben, aber es ging nicht. Nun kam ich doch langsam zu Verstand. Konnte mir gar nicht denken wie das kommt, dass ich nicht aufstehen konnte. Sah ich erst, dass ich voll Blut bin. Der Atem ging so schwer, die Nase und der Mund waren ein Blutstock. Da fiel mir doch wieder ein, dass ich verwundet wurde. Wie aber das kommt, dass ich hier so liegen muss, und kein Mensch bei mir ist? Da kam ich doch immer mehr zu mir, es wurde schon Tag, hörte nichts schießen. Da wollte ich das Aufstehen wieder probieren, aber es ging noch immer nicht. Und einen Schmerz hatte ich in der Hand, wollte die Hände bewegen. Die linke war gesund, aber die rechte schmerzte. So dachte ich wieder nach, endlich kam ich drauf, dass wir ja von den Russen gestürmt wurden und ich so schwer verwundet wurde. Aber dass die Hand abgeschossen war, konnte ich nicht verstehen. Denn ich konnte mich nur an den Hieb erinnern, und dass mich die Russen mitschleppten, aber dass ich so liegen musste, konnte ich nicht verstehen.
Mit Schmerzen probierte ich wieder das Aufstehen, diesmal ging es. Konnte ich doch sitzen und konnte mit nassen Augen und schmerzenden Lippen das Elend betrachten was mich umgab.
Wenn man so studierte, wie arm und verlassen man ist. Kein Mensch kann einem helfen, da sah man, dass man sich selbst helfen muss. War ganz elend und matt von dem vielen Blutverlust. Da fiel mir ein, dass ich die Feldflasche im Brotsack habe. War ein Schluck Wasser drin der mich sehr erfrischte. War immer drauf bedacht, einen Schluck Wasser bei mir zu haben, denn das hat schon manchen das Leben gerettet im Feld.
Dann mit der Zeit konnte ich aufstehen, hielt es aber vor Mattigkeit nicht aus. War neben mir ein kleiner Baum, daran setzte ich mich, bis mir wieder leichter war. Schaute so herum was ich tun sollte, konnte mit keinem Menschen reden, da alles um mich tot war. Dachte mir so, ihr armen Kameraden habt es alle überstanden, wisst nichts mehr von euch, aber wie wird es mir noch gehen, muss ich elend verschmachten.
Ein dichter Nebel war ringsherum, dass man nicht weit sehen konnte. Endlich bemerkte ich in geringer Entfernung Leute, die wahrscheinlich auf Beobachtung waren. Als der Nebel verging, bemerkten sie, dass da noch jemand am Leben ist. Kam mir näher und winkte, dass ich zu ihm kommen solle. Voll Freude und Schmerz schleppte ich mich hin, in dem Gedanken, bin doch nicht ganz verlassen. Glaubte anfangs es sind unsere. Wie ich aber näher kam, fast bis zum Schützengraben, bemerkte ich, dass es Russen sind. Aber was will man machen, wenn einem das Unglück so trifft. Wo unsere Leute waren, konnte ich mir nicht denken. Sie mussten wahrscheinlich weit hinten sein. Dass diese Russen von der 2. Schwarmlinie waren, da ich ganz wenige sah im Schützengraben.
Sie waren ganz gut mit mir, setzten mich nieder, um mich zu verbinden. Da es am Vortag geregnet hatte, hatte ich den Mantel an. Und da er voll Blut und Kot war, wollten mir die 4 Russen den Mantel ausziehen, aber leider ging es nicht. Bemerkten sie, dass an der Hand auch was los war. Reden konnte ich nicht mit ihnen, da keiner deutsch verstand.
Sah einer, dass der Ärmel durchlöchert ist, nahm sein Messer heraus und schnitt mir den Ärmel von Mantel, Bluse und Hemd herunter. Da sah man, dass die Hand durchlöchert war. Auch einen Schuss hatte ich im Oberarm. Weiß nicht, von wo der her war. Konnte mich nur an den Hieb erinnern. War mir zu dumm, wo der her war. Dachte mir, wie mich die 2 am Vortag gefangen nahmen und mitgeschleppt hatten, ich bewusstlos wurde und zusammensank? Dass die mir vielleicht noch einen Schuss gaben?
Oder ich hatte ihn in der Nacht beim Liegen erwischt. Das blieb mir selbst ein Rätsel.
Als ich ihnen die Wunde auf der Brust zeigte, redeten sie durcheinander und schüttelten die Köpfe. Redeten wahrscheinlich, dass dieser Mensch das ausgehalten hat, ohne ihm gleich zu helfen. Mir war es ebenfalls zu dumm, dass man soviel aushalten kann. Dann gaben sie mir auf die Hand einen Notverband, nahmen 2 Gewehrriemen und hängten mir die Hand darauf. Die Riemen gaben sie mir um den Hals. Ohne mir sonst etwas anzutun. Die Brustwunde hatte aufgehört zu bluten und war verstockt, dass sie mich nicht verbinden brauchten. Nur aus dem Mund sickerte noch ein wenig Blut. Als sie alles in Ordnung hatten, musste ich mit einem Russen über den San gehen. War ein Notsteg, der im Wasser schwamm. Glaubte jetzt und jetzt, ich müsse untergehen und kam aber doch glücklich hinüber.
Dort war wieder eine Schwarmlinie. Die schauten mich groß an. Musste dort warten und mich setzten. Dann wollten sie mich ausfragen. Ich verstand keine Silbe, konnte ihnen keine Auskunft geben. Sie drohten mir mit Gewehr und Säbel. Glaubte schon immer sie wollen mich umbringen, da sie doch einen fürchterlichen Zorn auf uns hatten. Da sie doch den ganzen Mai immer Rückzug machen mussten und große Verluste hatten. Konnte doch einer dabeisein, denn es nichts ausmachte, einen Verwundeten umzubringen, denn rachgierige gab es genug bei den Russen, so gut wie bei uns. Überhaupt den Kosaken war alles zuzutrauen.
Bis gegen Mittag musste ich dort warten, dann kamen vier Sanitäter mit einer Tragbahre, legten mich drauf und trugen mich richtig ein Stück. Dann musste ich ein Stück gehen, wo mich 2 an den Armen führten. Kam in das Bauerndorf, wo der Verbandsplatz war. Dort wurde ich ganz ausgezogen und die Brust wurde verbunden. Nachdem ich verbunden wurde, wurde mir schnell das Hemd angezogen, aus gewissen Gründen.
Da einem die Räuber schon wegnahmen was ihnen gefielen. Man kann nicht so schnell denken was man hat, und reden kann man auch nicht, dass man sich dagegen wehren könnte und man traut sich auch gar nicht recht. Die Pelzjacke die ich von zu Hause mit hatte, die Uhr und die Kette, waren das Erste was ich weg hatte. Mir gings gleich ab und ich fing an zu lamentieren, da ich doch Angst hatte vor der großen Kälte, in Russland und Sibirien. Was jeder wusste. Sie wollten mich aber nicht anhören und wollten mich hinausschummeln, ließ mich aber nicht so schnell abweisen und zeigte nur was mir fehlte. Da ich gar nicht aufhörte, gaben sie mir wieder die Weste, aber die Uhr und die Kette nicht mehr. Dann musste ich hinaus zum Wasser und setzte mich zu den Verwundeten Russen nieder. Die Dorfbewohner brachten ihnen Brot und Milch zu essen, wo sie auch mit mir teilten, weil ich ihnen erbarmte, dass so ich verunglückte. Die Milch schmeckte mir am besten. Da ich doch schon lange keine gesehen hatte und schon ein paar Tage nichts zu essen hatte.
Und so kam die Nacht, die erste in der Gefangenschaft. Es kamen noch mehrere unsrige Verwundete dazu, aber lauter Ungarn und Polaken, mit denen ich auch nicht reden konnte. Wir mussten auf einem harten Tennenboden die Nacht verbringen. Sogar einen Posten hatten wir bei uns. Wir wussten nicht warum, wo wir doch lauter Verwundete waren. So verging noch ein Tag und noch eine Nacht.
3. Juni! Fahrt ins Spital!
Gegen Mittag kamen die Sanitätswägen. Da wurden wir eingeladen und fort fuhren sie mit uns, so schnell es ging. Die glaubten, sie dürften lauter Gesunde am Wagen haben. Wir fuhren zirka 3 Stunden, kamen in eine Stadt neben der Grenze.
Kamen bei einem Spital an, wurden über die Stiege hinaufgeschleppt und auf die dort befindlichen Pritschen gebettet. Dann bekamen wir einen frischen Verband und Menage und schwarzes Brot. Da konnten wir uns nach langer Zeit wieder satt essen. Ich lag mitten unter den Russen. War so schwach und elend, dass ich mir gar nicht helfen konnte. Musste immer liegen. Der Abort war zirka 50 Schritt weg vom Zimmer und ich musste in meinem Zustand hinaus. Das fürchtete ich. Denn ich bekam keinen Atem und musste mich an der Mauer festhalten, dass ich nicht umfiel und alle 5 Schritte musste ich rasten.
Aber es ging mir jeden Tag besser. Die Lunge wurde freier, dass ich besser Atem schöpfen konnte. Aber das Blutspucken dauerte noch 14 Tage. Während der 7 Tage, wo wir dort waren, bekam ich im Genick ein großes Abszess, musste operiert werden. Wurde mir der Kopf dann auch noch verbunden, dass ich kam heraussah. Es war ein fürchterlicher Schmerz.
Das Volk kam hie und da herein ins Spital und brachte den Russen eine kleine Spende, meist Bäckerei, wovon ich auch etwas bekam. War aber nicht so gut wie in der Heimat. Erbarmte ihnen, sagten dieser Mensch kann was aushalten. War doch ganz verbunden. Der Kopf verbunden, die Hand auf und in der Schlinge, und Brust und Rücken war alles ein Wickel.
So vergingen die Tage in trauriger Einsamkeit. Keinen Menschen konnte ich mein Leid klagen. Mit den Gedanken immer in der lieben Heimat, wann ich schon draufgehen muss, wenn ich doch in der Heimat bei meinen Lieben ein Grab haben könnte. So manche Feldpostkarte wird wieder für mich abgegangen sein und hätte mich wieder eine Zeit lang aus meinen trüben Gedanken gerissen. Aber leider war mein Schicksal wo anders als im Felde. Eine Krankenschwester, die deutsch schreiben konnte, bat ich, doch einige Zeilen an meine Lieben zu schreiben. Sie erfüllte gern meinen Wunsch und die Karte erreichte ihr Ziel. Wenigstens wussten sie was mit mir los ist. Da schon geredet wurde, dass ich gefallen bin. An den Russen konnte man von zu Hause nicht schreiben, so blieb ich lange ohne Nachricht. Wenn ich Geldmittel gehabt hätte, hätte ich mir das Leben etwas verschönern können. Die Russen, die gehen konnten, kauften sich Brot und Semmeln vom Bäcker. Ich hatte die 8 Kronen, die ich bei der Gefangennahme in einem kleinen Päcklein um den Hals gehängt hatte und voller Blut war. Die Russen müssen es für etwas Geweihtes gehalten haben und haben es mir gelassen. Auch das Notizbuch, Fotografien, Taschenmesser und Taschentuch verblieb mir. Ich hatte auch Verlangen nach einem Laibchen weißen Brot. Ließ mir eins mitbringen, was eine Krone kostete. Hatte lange daran zu essen. Es war sehr gut. Konnte aber wegen des Abszesses schlecht beißen.
Es kam der 11. Juni!
Hörte ich noch in der Ferne schießen, sogar Gewehrfeuer hörte man. War mein erster Gedanke, vielleicht kommen die Unseren noch, dass ich nochmals erlöst würde, wenn die Russen nicht Zeit hätten uns wegzuräumen. Frühmorgens als es grau wurde, drehte ich mich zum Fenster, da ich neben einem lag und sah hinunter was los ist. Da sah man schon alle auf den Beinen. Die Wagen wurden beladen mit Einrichtung und Heu. Das Vieh und Volk kam hinten nach. Alles machte sich auf um sich zu retten. Das ging so fort den ganzen Vormittag. Dachte mir schon, haben halt auf uns vergessen und werden uns nicht mehr wegräumen. Entweder sie lassen uns liegen oder stecken das Haus in Brand, was oft vorkam beim Rückzug. Wer konnte, der rettete sein Leben. Die anderen mussten verbrennen. Wird so gegen mittags gewesen sein, kamen Wägen angefahren, so wie die Galizier sie haben und blieben beim Tor stehen.
Nun begann die Flucht ins Innere Russlands!
Jetzt gings um uns, kamen in unser Zimmer, einer packte mich beim Kopf, der andere bei den Füßen und hinunter ging es über die Stufen, so wurden die Wägen beladen. Und fort gings in einem Teufel über Berg und Täler. Jeden Moment musste man fürchten, dass man hinuntergeschupft wird vom Wagen. Ich hatte fürchterliche Schmerzen, glaubte mein letztes Stündlein sei nah. Der Kopf schmerzte und erst die Hand. Die war doch am Oberarm ganz zerschmettert und bei jedem Ruck den der Wagen machte, gingen die Knochen füreinander.
Fuhren ungefähr 5 Stunden, waren schon in Russland, kamen in eine kleine Stadt, und wurden in einem Zivilhaus untergebracht. Mussten am Boden liegen und bekamen ein wenig Menage. Wie es halt bei einem Transport hergeht. Verbrachten da 2 Tage, dann hieß es, wer krank sei solle sich melden. War ohnehin alles krank, brauchte sich keiner melden.
Nun wurde ein Transport zusammengestellt.
Am 14. Juni, um 1 Uhr nachts wurden wir auf die Feldbahn verladen, die hinter dem Haus vorbeiging.
Ich lag auf einem offenen Wagen unter lauter Russen, die mich groß ansahen. Aber sonst scherten sie sich nicht um mich. So fuhren wir die ganze Nacht und den ganzen Tag bis um 11 Uhr nachts. Da kamen wir zur Hauptbahn, wo wir in die Sanitätswagen umgeladen wurden und nach kurzer Zeit wegfuhren. Da tat es mir wohl, es war wirklich besser liegen. Auch bekamen wir Menage und Wäsche. Mussten uns umziehen. Unsere Sachen kamen in einen Sack, bis zu unserer Auswaggonierung. Ich wurde gewaschen und bekam wieder einen Notverband. Operieren oder sonst schwereres geht nur im Spital. Wir fuhren zwei Nächte und 3 Tage bis in die Stadt Breslichoski.
Da standen wieder Sanitätswägen, wo wir eingeladen wurden und durch die Festung ins Festungsspital gebracht wurden. Es war ein schönes Spital, nett und rein, was man bei den Russen selten findet. Aber das Essen war sehr wenig und Hunger hatte ich für fünf. Und um die 7 Kronen die ich noch hatte, war mir leid, dass ich mir etwas gekauft hätte. Dachte mir immer, es könne eine noch schlechtere Zeit kommen für mich, da werde ich froh sein, wenn ich meine Kronen habe. Ich verbrachte dort 3 Tage, dann wurden wir wieder zur Bahn gebracht. Kamen wieder in Sanitätswägen und kamen nach Kiew. Dort wurden wir wieder auswaggoniert, kamen in eine Wartehalle und mussten 3 Stunden warten. Dann kamen wir wieder in Sanitätswägen.
Unser nächstes Ziel war Moskau!
Am 21. Juni, 8 Uhr abends kamen wir an. Wurden von den Waggons in die Elektrische umgeladen und fuhren zirka eine Stunde durch die Stadt, bis zu einer Schule, die als Spital diente. Die Fahrt war schön, konnte man nicht genug staunen. Herrliche Gartenanlagen, schöne Häuser und Kirchen waren zu sehen, mit schönen Türmen. Die Stadt hatte 80 km im Umfang und waren 200 Kirchen mit Goldkuppeln. Jene Häuser in der Stadt, die von Deutschen bewohnt waren, waren ganz demoliert, alles war zerschlagen von den Demonstranten, wegen des Krieges Deutschland gegen Russland.
Als wir bei der Schule ankamen, wurden wir gleich untergebracht. Da waren lauter Gefangene, alle verwundet, alle Nationen, jede Nation separat. Da konnte ich doch wieder meine Muttersprache reden, da schon Deutsche dort waren.
Da war ein Ungarischer Arzt, der mich behandelte und sein möglichstes tat. Wir wurden zuerst gereinigt, dann kamen wir ins Verbandzimmer. Der Arzt fragte mich, wann ich verwundet wurde. Auf meine Antwort entgegnete er, es wäre jetzt aber schon höchste Zeit, dass die Hand einen Gipsverband bekommt, sonst verkrüppelt sie. So bekam ich gleich einen und die anderen Wunden wurden auch verbunden. War ich froh, einmal in ordentliche Hände gekommen zu sein. Die drei Wochen haben mir lange genug gedauert.
Die Behandlung war auch nicht schlecht. Das Essen war wohl wenig. So vergingen die Tage. Bekam zum 2. Mal die Ruhr. Wurde mir aber gleich geholfen. Eine Schwester war auch da, die ein wenig Deutsch verstand. Die fragte, wer nach Hause schreiben wolle. Das wollte jeder und sie besorgte Karten vom Roten Kreuz. Und denen die nicht selbst schreiben konnten, schrieb sie an die Angehörigen. Auch mir. Kam keine Antwort darauf, so sehnsüchtig man auch wartete. Sie fragte auch, wer österreichisches Geld hat zum auswechseln. Ich gab ihr auch 3 Kronen zum Auswechseln, dass ich auch russisches Geld hatte.
So kam der 30. Juni!
Wurde wieder ein Transport zusammengestellt. War auch ich dabei und glaubte es sei schon Frieden und es geht wieder der Heimat zu. Kamen wieder auf die Elektrische und fuhren auf einer anderen Seite zurück zur Bahn, wo wir wieder in die Sanitätswägen kamen. Fuhren bei der Nacht noch weg und als es grau wurde, sah man, dass es immer weiter hineingehe und nicht zurück. Kamen gegen Mittag in Riszanz an, wurden auswaggoniert, kamen ins Spital. Die Umgebung der Stadt war so voll Unordnung, der Mist lag auf den Straßen, die Häuser waren ganz zerlumpt, es war eine schmutzige Stadt. Auch im Spital war die selbe Unordnung. Es waren alle Nationen durcheinander, auch Russen waren dabei. Die Bedienungsmannschaft war lauter Rumänen und Rutschenen. Die schauten nur auf die eigenen Leute und auf die Russen. Um uns Deutsche scherten sie sich nicht. Auch die Ärzte waren nicht viel besser. Machten nicht viele Geschichten mit uns. Nur bei einer schlechten Aussicht auf Heilung wurde gleich ohne Betäubung amputiert. Das war jeden Tag ein Geschrei und die Armen konnten sich nicht helfen. Lag so mancher am nächsten Tag in der Totenkammer, wo sich niemand scherte um ihn.
Als ich zur Visite kam, wurden meine Wunden untersucht. Der Gipsverband wurde zu leicht befunden. Wurde ein großes Messer genommen und heruntergeschnitten. Die Wunde ein wenig angeschaut und ein neuer angelegt. Waren zwei beisammen, einer packte mich am Oberarm, der andere beim Unterarm, zogen jeder fest an, ich dachte mein letztes Stündlein hat geschlagen. Dann machte die Schwester den Verband drauf. Dann wurden die anderen Wunden auch verbunden und durfte wieder auf mein Zimmer zurück. Dort lag ich neben einem verwundeten Zigeuner, mit dem ich auch nicht reden konnte.
So vergingen die Tage. Die Hand schwoll fürchterlich an, weil der Verband zu fest war. Konnte es kaum mehr aushalten vor Schmerzen. Vom Schlafen gar keine Rede mehr. Wenn man so nachdenkt, was man unschuldigerweise alles erleiden muss, man kann gar nichts dafür dass man gefangen wird.
Da die Schmerzen nicht nachließen, wurde die Hand wieder visitiert. Dann redeten die Ärzte durcheinander. Wahrscheinlich werden sie gesagt haben, mit dem machen wir keine Geschichten. Nahmen ein Messer und schnitten wieder den Gipsverband herunter und gaben mir die Hand in die Schlinge. Aber ich dachte mir, werdet kein Glück haben mir die Hand zu ruinieren. Schonte mich, soviel ich konnte. Da ich zum Glück im Sommer verwundet wurde und mich ganz ausgeblutet hatte, konnte die Wunde schön zu heilen anfangen, da sie nicht Eiter fassen konnte. Wir gingen jeden Tag 2 Stunden im Hofe spazieren, damit das Liegen wieder besser war. Da hatte ich die Hand in der Schlinge. Aber nur diese Zeit. Im Bett lag ich immer am Rücken und hatte die Hand am Bauch liegen, mit der Decke sorgsam zugedeckt, damit sie schön heilen konnte. Vom Schlafen war keine Rede. In der Nacht sekierten einen die Wanzen, am Tag war es besser. Dafür quälte einen der Hunger. Die Menage war sehr schlecht.
Eine Fischsuppe mit Kartoffeln oder Erdäpfelpuffer samt Schäler und 3 Löffel Karscha. Das ist wie ein Hendlbrein. Fleisch gab es zweimal in der Woche. Ein fingergroßes Stückerl. Und 40 dkg Brot am Tag, aber so schwarz und bitter, das Wasser rann heraus, wenn man es drückt und wenn es 1 Tag alt war, war es so schimmelig zum Wegwerfen.
Magenkranke gingen zugrunde dabei. Früh und abends bekam man eine Schale Tee, aber keinen solchen wie zu Hause.
Es waren einige, die schon über 1 Jahr da waren. Die hatten schon von zu Hause Geld und konnten sich was zubessern. Aber ich mit meinen paar Kronen konnte nicht viel machen. So vergingen die Tage im Trübsinn dahin und wenn man die Krüppel betrachtete, die da waren, ohne Hände und Füße und Augen. Und die Sehnsucht nach der Heimat zehrte an uns allen. Diejenigen die schon länger da waren, bekamen von zu Hause Nachricht, dass es nicht mehr lange dauern und Friede wird. Und da es immer lang dauerte, bis eine Nachricht nach Russland kam, so glaubte man es muss schon Friede sein, dass wir bald erlöst würden.
Da kam der 29. August!
Wurde wieder ein Transport zusammengestellt, wo ich auch wieder dazukam. Die Wunden waren schon ziemlich ausgeheilt. Nur der Knochen in der Hand wackelte noch. Ich war glücklich, dass ich schon soweit war mit meiner Heilung. Nun wurde jeder visitiert wegen der Montur. Die Hose tat es noch und die Pelzweste. Die zerrissene Unterhose, das Hemd, die Bluse und der Mantel hatten nur einen Ärmel. Erhielt ich einen Rock statt dem Mantel, dass der Arm nicht ganz bloß war. Sonst musste ich alles behalten wie es war. Auch die Kappe verblieb mir.
So wurden wir bei Nacht wegtransportiert. Und alle die wir hinter uns ließen, wünschten uns viel Glück zur Heimreise und gaben uns Grüße auf in die Heimat. Denn wir alle waren der Meinung, wir würden ausgetauscht werden. Aber als wir die Nacht durchfuhren, es Tag wurde, und wir sahen, dass die Richtung nach Sibirien geht, wurden wir immer trauriger.
Wir kamen nach Goslof, von dort nach Tambah.
Kamen um 5 Uhr abends an. Wurden auswaggoniert und kamen in ein Sammellager, wo dann größere Transporte zusammengestellt wurden, zur
Fahrt ins eisige Sibirien!
Sah wohl jeder traurig drein, wenn er an sein Los dachte. Nun mussten wir uns im Sammellager eine Liegestatt suchen für die Nacht. Viele lagen im Hofe oder auf dem Dachboden, in den Gängen. Auch hinter den Pritschen war alles voll. Wo nur ein Platzerl war, kroch einer hinein. Alles lag fast aufeinander. Läuse und Ungeziefer gabs, dass sie einem fast forttrugen, konnte sich niemand helfen. Zum Reinigen war der Platz zu klein. Hinaus durfte keiner, es war zum Verzweifeln. Langsam verging doch die Nacht.
Während des Tages, als ich so in dem Menschenhaufen herumsuchte, entdeckte ich voll Freude einen Bekannten aus der Heimat, den Schrittwieser Emmerich aus St. Gotthard. War mir gleich leichter ums Herz, da ich einen Bekannten aus der Heimat hatte. Er kannte mich bald, ich hatte die Hand noch in der Schlinge und klagte ihm mein ganzes Leid. Und dass vom Frieden gesprochen wurde in unserem früheren Lager. Und wir voll Freude weggefahren sind, da wir glaubten es geht der Heimat zu. Er war vor kurzem erst in die Gefangenschaft gekommen. Er erzählte mir, dass man an einen Frieden noch gar nicht denken konnte, dass es fest zugeht an der Front und niemand sagen kann, wenn es zu Ende geht. Dann erzählte er mir sein Leid. Wie es ihm ergangen ist und wie er in Gefangenschaft kam. Bei Sopal hatten sie große Verluste und wurde das ganze 10. Jägerbataillon aufgerieben. Was nicht tot war, kam in Gefangenschaft. Er war froh, dass er gesund ist und das Hundeleben im Spital und Lager nicht mitmachen brauchte. Sobald Gelegenheit ist auf Arbeit zu gehen, wird er sich melden, um sich leichter durchzuschlagen. Wir sprachen noch so Manches über die Front und von zu Hause, so verging der Tag. Manage war wieder dieselbe und schwarzes Brot. Dann kam wieder die schreckliche Nacht wie am Vortag. Wer Geld hatte, kaufte sich eine Kerze, die anderen mussten sich so begnügen. Wenn einer seine Notdurft verrichten musste, stolperte im Dunkeln einer über den anderen. Das war eine Schimpferei und Schelterei, über den Krieg und über die Gefangenschaft und über das elende Leben das man hatte.
So verging die Nacht und es kam der 1. September!
Wurde wieder ein Transport zusammengestellt. Traf mich wieder. Nach traurigem Abschied von meinem Freund, da nur Verwundete zum Transport kamen und gaben Grüße auf, wenn doch einer früher nach Hause kommen würde. So fuhren wir traurigen Herzens weg und kamen nach Pensa, von da nach Sysran. Von da fuhren wir weiter um 8 Uhr Früh und kamen nach Samara. Da bekamen wir Mittagessen. Wie gewöhnlich die russische Kost. Für die vorherigen Tage bekamen wir das Zehrgeld. Für den Tag waren es 15 Kopeken, die wir bekommen sollten um uns zu verköstigen. Da beschwindelte uns schon der Transportkommandant, dass ihm was blieb. Das erste Mal zahlte er uns bei Tag aus, das nächste Mal bei Nacht, dass ihm ein Tag blieb.
So wurden wir gleich die ersten Tage beschwindelt. Und mit dem Selbstverköstigen war es auch so eine Sache. Wenn der Zug nur kurze Zeit anhielt, konnte sich nicht jeder etwas kaufen, denn es war ein Transport mit 500 Mann. Wo er anhielt, waren die kleinen Standerl gleich besetzt. Und wie es bei mir war, ich hatte doch die Hand in der Schlinge, musste ich auf allerletzt warten mit dem Ausspringen, da wir in Viehwaggons fuhren. Sie hatten kein Geländer und keinen Aufstieg. Konnte ich mir gar nicht helfen. Bis ich zu den Standeln kam, war alles besetzt. Und ich musste draußen warten, da ich nicht drängen konnte mit meiner Hand. Und das Verkaufen bei den Russen ging nicht so schnell, da sie schwer fertig werden mit dem Rechnen. So kam die Zeit wieder zum Einsteigen. Es pfiff der Zug und ich musste wieder leer weggehen. Alles trachtete zum Einsteigen. Ich musste wieder zuletzt warten, dann wurde mir doch immer geholfen. Es kam aber vor, dass manchem der Zug davonfuhr. Was mit solchen geschah, weiß ich nicht. So musste ich wieder weiter mit dem hungrigen Magen. Meine Liegestatt war im Waggon unter der Pritsche, da ich mit meiner Hand nicht gepresst liegen konnte.
Am 8. September!
Kamen wir am Abend in Ufa an. Von da nach Tscheljabinsk, das war schon in Sibirien. Graute schon jedem vor der eisigen Luft. Die Waggons waren kalt. Zum Einheizen hatten wir nichts. In Tscheljabinsk blieb der Zug am 8. September stehen, wo wir in den Waggons übernachteten.
Früh fuhren wir weg und kamen am 10. September nach Omsk. Mussten aus den Waggons heraus und mussten uns in Reihe und Glied anstellen und zur Menagestelle marschieren. Wie wir dort ankamen, gab es wieder die Menage wie früher. Denn in Russland und Sibirien gab es keinen anderen Speisezettel in der Gefangenschaft. Fischsuppe, Kartoffelpuffer und Karscha und ein bisschen schwarzes Brot. Dann stellten sie uns wieder zusammen, was bei den Russen lange herging, bis sie uns fertig brachten.
Als ich so herumsah in der Menge, sah ich ein bekanntes Gesicht. Wusste aber nicht wer es sein sollte. Man war ja voll Bart und die Haare lang, denn zum Rasieren oder Frisieren gab es keine Möglichkeit und auch kein Geld. So war man fast unkenntlich.
Wir trachteten immer näher zusammen und kamen im Laufe des Gespräches drauf, dass wir zwei gute alte Freunde aus der Heimat waren. Es war Fohringer Josef aus Bernreit bei Texing und war in Mank längere Zeit bedienstet. Das war eine Freude. Erzählten einander unser Los und was wir schon alles mitmachten. Er kam auch verwundet in die Gefangenschaft. Hatte einen Schuss im Oberschenkel. Musste öfter operiert werden. Musste viel mitmachen, bis er halbwegs zum Gehen kam.
Er war in Petrobawlowsk, eine Stadt vor Omsk, im Spital und wurde bei seiner Entlassung unserem Transport zugeteilt bei der Nacht, und fuhr mit bis Omsk, wo wir uns trafen.
Wir beschlossen, nicht mehr voneinander zu gehen, sobald wir auswaggoniert werden. Denn gleich gab es kein Zusammenbleiben. Musste jeder wieder in seinen Waggon, denn das ließ unsere Bewachung nicht zu und der Transportkommandant. Nun erzählten wir uns so manches über unsere Lieben in der Heimat. Wo jeden die Tränen in den Augen stand, wusste doch keiner etwas von zu Hause, man bekam gar kein Schreiben. Was musste man so alles aushalten und man konnte sich nicht helfen. Da wir wieder in unsere Waggons mussten, verabschiedeten wir uns und hofften uns bald wieder zu sehen.
Abends fuhren wir wieder weiter und dem 13. September fuhren wir durch die große Stadt Amkerisch, am Flusse Ob.
Groß war die Stadt, aber es waren durchwegs hölzerne Hauser, nur wenige waren gemauert. Die Kultur war ganz gleich wie im ganzen Reich. Die Kälte wurde immer mehr, da wir immer mehr nach Norden fuhren, wo schon im September strenger Winter ist. Schnee war wohl noch nicht, aber gefroren war es schon steinhart. Uns schüttelte es in den Waggons vor Kälte. Einheizen konnte man nicht. Und von der Menage, die man jeden zweiten oder dritten Tag bekam, konnte man sich auch nicht erwärmen.
Wie fuhr immer weiter und kamen nach Nover Nikolajevka, eine große Stadt im gleichen Stile.
Von da immer weiter und weiter bis nach Krasnojarsk. Dort angekommen, den 16. September, wurden wir auswaggoniert. Mussten uns 4 und 4 aufstellen und die Russen, die den Transport über hatten, zählten uns ab, was lange herging. Dann kam die Bewachung vom Lager in das wir kommen sollten und zählten uns wieder.
Es wurde gefragt wer krank ist, oder sonst schlecht gehen kann, der soll sich melden, denn es waren 8 Wärs (nach unserer Berechnung ist ein Wärs um 70 m länger als ein Kilometer) ins Lager. Da wären wohl die meisten gewesen, denn alles war matt, denn wenn man 16 Tage im Transport ist, wobei 40 Mann in einem Viehwaggon zusammengepfercht waren, nicht viel zu essen, und vom Spital schon ausgehungert, da kann keiner mehr kräftig sein. Nun meldeten sich die, die an den Füßen verwundet waren und die, die mit Krücken gingen, wo auch mein Kollege dabei war.
Nun war alles geregelt zum Abmarsch. Zum Tragen hatte keiner viel. Meine Habseligkeiten trug ich im Sacktüchlein eingepackt. Einen Holzlöffel und eine leere Patronenbüchse, die mir als Essschale diente. Nun marschierten wir ab, mit Ach und Weh gings durch die Nacht sehr langsam. Die Bevölkerung sah uns groß an, einige beschimpften uns, andere wieder erbarmten wir. So ging es durch die Stadt. Dann kamen wir auf eine Anhöhe, von weitem sahen wir schon unsere neue Heimat Sibirien!
Das Lager Vaene Gorodock!
Die Gegend war öde und unfreundlich. Man sah nur den nackten Boden, denn wachsen konnte da nichts, es war zu kalt. Und war nur eine Sandwüste. Nun kamen wir mit müden Schritten und hängenden Kopf in das Lager, wo uns schon die anderen Gefangenen erwarteten. Fragten uns gleich, wo wir herkommen, und waren erstaunt, als wir sagten aus Russland. Denn sie glaubten es sei schon Friede, dass auch sie bald in die Heimat fahren könnten. Erzählten wir ihnen, dass auch wir derselben Meinung waren. Wie wir aus dem Spital entlassen wurden, glaubten wir auch, es geht der Heimat zu und wurden so enttäuscht. Nun fragten wir sie, wie es ihnen im Lager geht.
Einige sagten schlecht, die anderen wieder die schon länger hier waren und von zu Hause Nachricht und Geld hatten, wieder besser. Die waren schon getröstet. Und von der großen Krankheit im Frühjahr erzählten sie. Die Hälfte ist damals an Typhus gestorben. Täglich bis 30 Mann durch 2 Monate hindurch.
Es hat an Sanität gefehlt. Und sonst hat sich auch niemand gekümmert. Sie waren dort die ersten Gefangenen und war das Lager nur mangelhaft hergerichtet. Bauten bei unserem Hinkommen noch immer.
Es waren 5000 Gefangene dort und lag fast einer auf dem anderen. So machten sie uns schon in der ersten Stunde das Leben schwer.
Nun wurden wir übernommen im Lager, und dann in den Bauten untergebracht. Mein Kollege und ich trachteten, dass wir zusammenkommen, um uns gegenseitig trösten zu können, damit es uns nicht gar so schwer fiel. Abends bekamen wir die Menage. Kartoffelsuppe, aber wenig. Man hätte leicht die Portion die für 10 gehörte, allein gegessen. Denn in Russland war der Brauch, dass 10 Mann aus einer Schüssel essen mussten. Der keinen Löffel hatte musste warten oder sich einen ausleihen. Durch diese Übelstände wurden die Krankheiten so verbreitet und verschleppt.
Es waren verschiedene Krankheiten, von denen man in der Heimat nichts wusste.
Nun kam die Nacht, die erste im Lager. Die harte Pritsche, keinen Strohsack und nichts zum Zudecken. Die Baracke eisig kalt. Denn es war ausgeputzt und die Pritschen gewaschen. Die waren ganz eisig. Müde und ganz erschöpft legten wir uns drauf.
Die Hose nahm ich als Strohsack, die Stiefel die ich vom Spital hatte und die Kappe nahm ich als Kopfkissen. Die Bluse und den Zivilrock den ich hatte, war meine Decke. So lagen fast alle. Nur die einen Mantel hatten, waren besser dran, weil die mehr vor der Kälte geschützt waren. Vom Schlafen war ohnehin keine Rede. Erstens durch die Kälte und zweitens durch das viele Studieren und Elend.
So ging die Zeit dahin im Lager. Mein Kollege und ich trösteten uns immer. Es kann doch nicht lange dauern, dass wir erlöst werden von dieser Pein.
So gingen die Monate dahin in der gleichen Eintönigkeit und es kam der Oktober und der November.
Endlich bekam ich die erste Karte aus der Heimat, die mein Herz erfreute und mich tröstete. Wenn man nach langer Zeit ein Lebenszeichen bekam. Antwortete gleich drauf und schrieb um Geld und Wäsche und Rauchmaterial. Das ging einem viel ab, wenn man rauchen konnte, war schon besser. Dass man den Hunger und die Kälte leichter ertrug.
So verging der November und kam der Dezember. Da sagte man uns, es kommen Liebesgaben aus der Heimat und eine Rot-Kreuz-Schwester, worüber wir uns sehr freuten.
Vor Weihnachten kamen die Liebesgaben. Jeder Mann eine Decke und zwei Mann zusammen ein Paket mit folgendem Inhalt: Wäsche, ein Kamm und Seife, ein Halsschal, Socken, Sacktuch, Essschale und Nähzeug, mit Nadeln, Zwirn und Knöpfen. Und noch verschiedene Kleinigkeiten, die wir uns teilen mussten. Das war eine Freude. Überhaupt an der Decke, dass man sich zudecken konnte beim Schlafen, denn die Nächte waren sehr kalt. Bei Tag hatte es eine Kälte von 40 bis 50 Grad.
Nach der Verteilung hieß es, zu Weihnachten kommt eine Rotkreuz Schwester, die uns auch was bringen wird.
Am Heiligen Abend kam sie wirklich. Hielt sich aber nicht lange auf, besuchte uns nur. Brachte Grüße aus der Heimat und erkundigte sich wie es uns geht. Dann verließ sie uns mit dem Versprechen nochmals zu kommen und ging zu den Offizieren. War ihr eigener Sohn dabei, aber auch nur als Gefangener. Der bekam viele Geschenke von ihr und auch Geld.
Für uns ließ sie für jeden Mann 25 Kopeken, Tee und ein wenig Zucker, ein kleines Packerl Tabak und Streichhölzer da, wo wir auch zufrieden waren, denn uns tat es sehr not. Schade, dass wir es erst nach den Feiertagen erhielten.
Nun kam unser erstes Weihnachtsfest in der Gefangenschaft 1915
Die Geld hatten, zahlten zusammen, dass wir doch auch eine Freude hatten fern der Heimat und der Lieben.
Kauften einen Christbaum. Mein Kollege und ich konnten auch nichts beisteuern. Wir konnten uns nicht einmal eine Karte kaufen um den Angehörigen zu schreiben. Denn das Geld von der Schwester hatten wir noch nicht. Nur die, die im Sommer arbeiten konnten, hatten ein wenig Geld. Der Christbaum wurde aufgestellt. Etliche Kerzlein drauf und wurden angezündet. Hofften auf die Schwester, weil sie uns versprochen hatte. Ließ uns aber dann sagen, dass sie nicht kommen kann. Wird ihr wahrscheinlich bei den Offizieren besser gefallen haben als in unseren Baracken. Denn die hatten eine schöne Löhnung. Konnten gut leben. Konnten jeden Tag Braten und Schinken essen. Und feine Bäckereien und Bier konnten sie trinken, was sie wollten. Hatten im Monat 50 Rubel. 30 brauchten sie zum Leben. Die anderen konnten sie verlungern. Die hatten dort mehr, als sie sich in der Heimat hätten leisten können. Brauchten sich nichts versagen, in keiner Weise. Mehr möchte ich nicht schildern über diese Verhältnisse. Jedenfalls hatten sie ein schöneres Weihnachtsfest als wir armen Häuter.
So feierten wir alleine den Heiligen Abend.
Mehrere Wiener Kollegen hielten Ansprachen, dauerte eine Stunde. Zum Schlusse sangen wir mitsammen ein Weihnachtslied. Es waren uns 300 Mann beisammen in der Baracke und standen um den Christbaum herum.
Jedem standen die heißen Tränen in den Augen, rannen uns über die Wangen, dachte doch jeder in dieser Stunde mehr als je an seine Lieben in der Heimat.
Ein Gefühl der gänzlichen Verlassenheit beschlich jeden und die ausgestandenen Leiden und Drangsalierungen und die in Dunkel gehüllte Zukunft, stand vor unserem geistigen Auge. Bewegten Herzens dankten wir für die Ansprachen. Dieses unser erstes Weihnachtsfest, das wir in der Fremde feierten, wird wohl keiner der Gefangenen vergessen.
Einige Künstler die bei uns waren, machten einige Vorträge und Kunststücke, um unsere schweren Köpfe aufzufrischen. Es war für uns das Beste, dass solche unter uns waren, mit gutem Wiener Humor.
Sonst wäre es mit uns gefehlt gewesen. Wären noch mehr närrisch geworden und draufgegangen.
Nun hofften wir, diese Weihnachten werden auch die letzten sein, denn wir werden wirklich bald erlöst werden. Auch die Schwester versprach uns baldige Heimkehr, und dass die Friedensverhandlungen bereits begonnen haben. Zu den Feiertagen bekommen wir auch Menageaufbesserung. Wieder einmal nach langer Zeit ein heimatliches Essen zu bekommen, wie das schmeckt, das muss selbst erlebt werden.
Am ersten Tag gabs Nudelsuppe und Rindfleisch, den nächsten Tag gabs Gulasch. Da waren wir schon glücklich.
Gingen wieder die Tage dahin.